„Mein Tag im Hungerstreik-Camp“, davon soll der folgende Text berichten. Nachdem ich zu Hause angekommen bin, brauche ich eine gewisse Zeit, das an diesem Tage Erlebte, sich erst einmal setzen zu lassen. Ich notiere mir trotzdem die wichtigsten Gedanken und schreibe stichpunktartig über meine intensiven Gefühle, die mich regelrecht übermannen. Es bedarf eines gewissen Abstandes, den ich konsequent einhalten muss. Ich schlafe in der folgenden Nacht schlecht und beginne Tags darauf mit dem Schreiben dieses Blogs am PC.
„Ziviler Ungehorsam ist nicht nur eine moralische Entscheidung, sondern auch die mächtigste Art, die Weltpolitik zu gestalten.“
(Zitat Christina Figueres, Generalsekretärin des UNFCCC 2010-2016)
Ich habe Blumen dabei, die ich zum Zeichen meiner Anteilnahme an einem der weißen Zelte aufhänge. Für mich handelt es sich um symbolgeladene Pflanzen aus dem eigenen Garten, solche, die sich durchsetzen und kraftvoll wachsen indem sie sich nicht unterkriegen lassen. Die Nachricht der beiden in den Hungerstreik getretenen Aktivisten, gab den Impuls mich bei der „Letzten Generation“ zu melden, um meine Solidarität zu bekunden. Mein Smartphone registriert seitdem mehrere Eingänge, die mir reiche Kontakte ermöglichten, darunter einer aus Babelsberg; Martina bot an, sich mit mir zu treffen, wobei ich allerhand Neues über die Aktivista, sowie ihre älteren und die derzeitigen Aktionen erfuhr. So auch Genaueres zum Hungerstreik. Martina ist Teil dieser Hungerstreik-Camp-Familie, ich freute mich, sie begleiten zu dürfen und von daher, nicht allein zu sein.
So war ich denn in der Lage mir bei schönstem Sonnenschein ein Bild von der Situation direkt vor Ort in Berlin und nicht nur vom ‚Hörensagen‘ – machen zu können. Die großen weißen Zelte leuchteten uns beiden den Weg als wir vom Hauptbahnhof gelaufen kamen. Mein erster Einsatz bestand darin mitzuhelfen, eines der Zelte umzusetzen, damit der Rasen unten drunter, sich wieder erholen könne. Bei dieser Gelegenheit ist mein Blick gleich zu Anfang meines Besuchs auf ein kleines Bücherregal gelenkt worden, welches nach Beendigung der Umsetzungsaktion, wieder dorthinein getragen wurde. Wie interessant dachte ich bei mir; manche Leute haben Bücher nicht einmal in ihren Schränken zu Hause zu stehen – hier gehören sie zur Grundausstattung eines Zeltes in diesem Camp dazu. Eines der grünen A5-großen Heftchen mit dem Titel „Klimawandel und Klimapolitik in Berlin“, herausgegeben vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) darf ich mir auf Nachfrage mitnehmen. Die nebenstehende Grafik ist diesem Heftchen entnommen, in dem in aller Kürze sämtliche der wichtigsten Fakten nachgelesen werden können, unter anderem auch zu der verstörenden Frage, ob es nicht bereits zu spät ist, um noch etwas zu tun.
Überall herrscht reges Treiben zwischen Gänseblümchen und blühendem Flieder, die an diesem herrlichen Tag im April, über den Ernst der Lage hinwegtäuschen. Gleich vorn sieht der Besuch eine aufgestellte Tafel mit Strichliste, darauf drei Namen – WOLLI, RICHI und MICHAEL – das sind die Namen derer, die sich zum Hungerstreik entschieden haben und von sich sagen, „dass sie bereit sind zum Sterben“ …
Zwei von ihnen sind bereits längere Zeit dabei. Mit Michi sprach ich ausführlicher, Richi sah ich – sprach ihn aber nur kurz, weil ich zuerst aufs Klo wollte – so verpasste ich die Gelegenheit. Wolfgang bekam ich gar nicht zu Gesicht. Ich vermute, er ist zu schwach inzwischen, um sich noch mit jedem der kommt, zu unterhalten. Er muss alle Energie sparen. Zweiundvierzig (42) Tage ohne feste Nahrung zählte ich für ihn und vierundzwanzig (24) für Richi, Michael, der hinzugekommene und damit Dritte im Bunde, kommt auf zwei Tage. Mit ihm sprach ich schließlich von Angesicht zu Angesicht, denn Michi, wie die anderen des Camps ihn liebevoll nennen, ist deshalb (noch) sichtbarer als die anderen beiden, weil er seine Kräfte (noch halbwegs) zur Verfügung hat. Dennoch fällt mir sofort auf, wie leise und wie bedacht der schmale Mann spricht! Ich erfahre, dass wir ein Jahrgang und somit im gleichen Alter sind. Mit Mütze und Kapuze gut gegen die Kälte geschützt, erzählt er mir von der ehemals üppig blühenden Landschaft mit Trollblumen, die es heute kaum noch so gibt und in der er eigentlich (im Süden Deutschlands) zu Hause ist. Ich kenne solche Orte ebenfalls und habe sofort ein Bild vor Augen: eine wunderschön gelb blühende, wildwachsende Trollblumenwiese gibt es auch in der Nähe von Bürgel, im Land Thüringen.
Die Grillen, so sagt er, die damals noch bei ihm zuhause den Ton angaben, die hört man heute nicht mehr!
Grillen! Auch ich habe ein Faible für diese faszinierenden Musikanten unter den Insekten entwickelt, die vorurteilsbehaftet wie die Aktivisten, zu den ‚Nichtstuern‘ gehören und im Gegensatz zu den ‚fleißigen‘ Ameisen, Müßiggang (also Kultur) betreiben. 2003 schrieb ich für meinen ersten Katalog „Jahreszeiten“ einen Text mit der Überschrift „Rasenmähen“ … „zweimal im Jahr muss es wohl sein“ … „ordentliche Gärtner mähen, bevor das Unkraut blüht.“ Mein Fazit: ohne Wiese kein zuhause und – „kein zuhause, kein Gesang.“
Uns beide verbindet die Liebe zur Natur, zu Tieren und Pflanzen und – das ist kein Widerspruch – auch zu den Menschen! … die all das, gerade kaputtgehen lassen. Aus Liebe der Erde gegenüber und aus Liebe für die nächsten, nach uns folgenden Generationen, geben diese drei Männer gerade alles und haben dabei das Wohl des Einzelnen, der schon eine Zeitlang leben durfte, gegen das Wohl der vielen, die noch leben werden, abgewogen (frei nach Richard Cluse). Wieviel menschliche Größe gehört dazu, solch eine Entscheidung zu treffen! „Sie erpressen den Staat“, sagen die Kritiker, indem Druck ausgeübt würde … ich frage mich, wie kann man als Regierender zulassen, dass sich verzweifelte Menschen zu solch drastischen Mitteln genötigt fühlen, sie überhaupt zu ergreifen? Ich fasste mir ein Herz und frage Michael, der mit Nachnamen „Winter“ heißt, ob ich ein Foto von ihm machen darf. Unter dem letzten Punkt der sieben „Camp-Regeln“, die ich gelesen habe ist vermerkt, dass Menschen – bevor sie fotografiert werden – gefragt werden müssen.
Daran halte ich mich.
Bisher hat es noch kein Politiker gewagt auf der grünen und ordentlich gemähten Wiese zu erscheinen, außer Gregor Gysi von den Linken, der sich ein Info-Blatt geben ließ, wie ich erfahren habe. Auf einem Tisch direkt aufgestellt an einem der Wege, welche die Kanzleramtswiese tangieren, liegt die Unterschriftenliste aus, die unterzeichnen kann, wer sich solidarisch zeigen und Olaf Scholz eine Botschaft zukommen lassen möchte, so auch ich. Unter diesem Text befindet sich am Ende auch für den Leser ein Link dafür. „Mit dem derzeitigen politischen Kurs“, so ist auf dem Infoblatt zum Camp zu lesen, „steuern wir auf direktem Weg in die Klimahölle. Wir fordern deshalb unseren Bundeskanzler Olaf Scholz auf, die Dramatik der Klimakatastrophe endlich ehrlich anzuerkennen.“
Um endlich alle Hebel in Bewegung zu setzen.
Um diese, ihre Botschaft möglichst vielen Menschen nahe zu bringen, ist alles rund um den Hungerstreik bestens organisiert worden. Es herrscht eine im wahrsten Sinne, aufgeräumte Atmosphäre. Jeder hat seine Aufgabe, die er im Sinne der Gemeinschaft, erfüllt. Alles ist sauber und es fällt während ich dort bin, kein böses Wort. Wieso Klimaaktivisten von manchen Zeitgenossen verunglimpft werden, ist mir ein Rätsel. Ich komme im Laufe des Tages mit einigen Mitgliedern des Camps ins Gespräch und bin angetan davon, wie selbstlos sie auftreten und mit wieviel Engagement sie bei der Sache sind. Als hätten sie nichts anderes zu tun, kümmern sich einige sogar um einen Obdachlosen, der sich ihnen, wie er mir erzählte, aus Sympathie (nicht ganz uneigennützig) angeschlossen hat. Weil es ihm jedoch gar nicht gut geht, rufen schließlich einige der Anwesenden den Notarztwagen, der den alten Mann mit einem Rollstuhl im Gepäck, schließlich abholt. Denn er braucht dringend medizinische Hilfe, die ihm bisher – so sagt er, verwehrt worden sei.
Während ich all das miterlebe, ergibt sich ein Auftrag für mich. Ob ich ein Plakat für das geplante Konzert am Abend gestalten würde, werde ich von Martina gefragt. Um mir zuvor ein Bild von der jungen Künstlerin machen zu können, googele ich sie und werde bei YouTube fündig: Kira Hoffmann hat ein Lied für die „Letzte Generation“ und über diese geschrieben und sie singt mit zarter Stimme davon, was „Mama und Papa“ versäumt haben zu tun … sie singt aber auch davon, friedlich Widerstand zu leisten. Während ich an dem Plakat mit den zur Verfügung stehenden Farben und Pinseln ganz spontan arbeite und mir Kiras Musik dabei anhöre, bekomme ich heißen Tee gereicht, weil mir die April-Kälte inzwischen ganz subtil, doch tatsächlich unter meine Haut gekrochen kommt. Sämtliche der 12 Monate halten sich ja inzwischen nicht mehr so ganz an ihr altes Konzept – aber der April ist in ungefähr so geblieben wie man ihn kennt und er hält was er verspricht. Mit mir gemeinsam sind schon den ganzen Tag zwei junge Leute auf eben diesem Weg dabei, ein riesiges Banner zu gestalten. Möglichst exakt übertragen die beiden die Idee in Form einer A4-großen Vorlage aus dem Computer, auf den weißen Stoff. Ich weiß genau wie sorgfältig dies zu geschehen hat, damit es am Ende auch ordentlich aussieht!
Die, die das Banner dann final sehen werden, wenn es irgendwo aufgehängt worden ist, wissen meist nicht einzuschätzen wieviel Arbeit darin steckt, ehe es seine Wirkung entfaltet.
Wie alles in allem gründlich recherchiert wurde und die Wissenschaft deshalb stets präsent ist und wie dieses Wissen aufgearbeitet wurde und vor Ort sichtbar gemacht wird, das ist in meinen Augen in seiner ganzen Art und Weise, ausgesprochen professionell. Ein bestes Beispiel dafür liefert der meterlange Zeitstrahl zur Klimaentwicklung, der den Weg ein Stückweit begleitet, welchen Touristen ebenso wie Neugierige aber auch ganz zufällig auftauchende Besucher, entlanggehen. Manch einer sieht sich das genauer an und lässt sich auf ein Gespräch ein, während es einem anderen egal zu sein scheint. Aber immer wieder lautete einer der Vorwürfe von den vielen, die ich früher schon zu hören bekam sobald ich mich positiv über die Klimaaktivisten äußerte: dass es sich bei diesen ja nur um eine kleine, elitäre Gruppe von Besserwissern handeln würde. Und ich sage, klar, genauso ist es: sie wissen es tatsächlich besser! Denn die Mitglieder der unterschiedlichen Organisationen sind oftmals nicht nur jung, sondern darüber hinaus auch ziemlich belesen und sie sehen mehr und fühlen intensiver als andere! Die Älteren, von denen es unter den Aktivisten einige gibt die, so wie ich, sich arrangieren möchten, unterstützen diese jüngere Garde, der ihre Zukunft eben NICHT egal ist. Nicht wie all jenen (satten Bürgern) nämlich, die mehr an der Zahl, sich den Vorgängen der Natur verschließen oder aber bereits keinen Bezug mehr zu ihr haben! Was mir immer wieder auffällt ist, dass zu gern nach den Haaren gefischt wird, welche ausgerechnet diese geradlinigen, jungen Menschen angeblich in ihrer Suppe zu schwimmen haben – s o l l e n.
Diese Ablehner des Camps dann genauer zu beobachten, ergab sich – ohne dafür etwas tun zu müssen – zu meiner Freude ganz von selbst. Zum Beispiel jene Dame mittleren Alters, die auf einer Bank mit adrettem Herrn daneben, über ihre einstige Schäferhundezucht sprechen wollte. Als sie in ihrer Rede unterbrochen wird und ein Informationsblatt gereicht bekommt, das sie ablehnt, wird sie grantig, denn sofort ist der Bezug zu den Hungerstreikenden da, obwohl sie mit dem Rücken zu ihnen sitzend, diese gar nicht sieht – nicht sehen will. Während der junge Mann mit den Infoblättern still weitergeht ohne noch einen Gedanken zu verschwenden, neigt sich die Frau ihrem Banknachbarn zu und lästert, spricht ausfallend und erniedrigend. Ich höre sehr deutlich was sie ihrem Nachbarn sagt und fühle mich nun meinerseits dazu motiviert sie darauf hinzuweisen, dass ihre … „sicherlich recht kluge Schäferhündin diese wichtige Information wahrscheinlich nicht abgelehnt, sondern vielmehr dankend – angenommen hätte“…
Warum diese Ablehnung? Am späten Nachmittag, die Sonne steht bereits sehr viel niedriger, es ist aber noch immer Arschkalt, macht Michi sich auf, die täglich anstehende Runde ums Kanzleramts-Viertel zu absolvieren. Dazu hängt er sich ein 1,50 Meter breites Holzschild um und läuft mit seinen beiden Jüngern die ihn begleiten, los. Auch ich gehe mit. Und mir kommt während dieses Rundgangs unweigerlich der Vergleich zu Jesus von Nazareth in den Sinn. Hinauf auf einen felsigen Hügel namens Golgatha trug er das Kreuz selbst auf seinem Rücken – an welches er später genagelt werden sollte. Und die launische Menge schaute ihm dabei zu. Jetzt, beim Schreiben, kommt mir doch glatt noch ein anderes Wort in den Sinn: „Mob“ – was entlehnt vom englischen „mobben“ auf „mobile vulgus“ (lateinisch) zurückzuführen ist: Und wie passend, „wankelmütige Volksmasse“ bedeutet.
Unterwegs treffen wir auf mehrere, sogenannte „Stadtführer“, einer davon will sich bei seinem Vortrag auf Englisch, nur sehr ungern (natürlich!) unterbrechen lassen und wünscht mir noch „viel Spaß“, ein anderer Herr mittleren Alters zeigt sich „begeistert“ – auch hier spüre ich aufgrund der übertriebenen Wortwahl, Verachtung. Eine größere Gruppe junger Menschen taucht plötzlich auf und als sie uns sehen, sind einige voller Spott und Häme, was nicht anders zu erwarten war. Michael wirkt als wäre er darauf vorbereitet. Die Erwachsenen leben den Jungen schließlich vor, was sie zu denken und von Aktionen wie diesen, zu halten haben. Ein Junge kam dann aber doch gezielt auf mich zu, um nachzufragen! An der Art und Weise wie er mir zuhört und auch ein weiteres Mädchen sich dazu gesellt, ist zu spüren wie wissbegierig diese jungen Leute sind. Wahrscheinlich kommen sie aus einem Elternhaus, wo zumindest über solche Themen gesprochen wird. Jene, die diese Möglichkeiten nicht haben, die bräuchten eine gute Führung innerhalb des Lehrplans. Wenn schon die Eltern es nicht hinbekommen, so sollten doch wenigstens Lehrer und Erzieher sich der Themen zu „Klima und Wandel“ mit Sensibilität für das Naturganze, wohlwollend annehmen. Hier und jetzt hätten sie die beste Gelegenheit dazu!
DENN IHR JUNGEN, IHR MÜSST MIT DEN AUSWIRKUNGEN DIESER JETZT GEMACHTEN POLITIK LEBEN: SPÄTER – WENN ES DANN ERST RICHTIG HEISS GEWORDEN IST.
Zunehmendes Desinteresse verhindert in dieser Gesellschaft Aufmerksamkeit, Empathie und Dialogbereitschaft anderen gegenüber, die nicht derselben Innung angehören. Jegliche Fähigkeit zur Anteilnahme geht aktuell allmählich verloren, so scheint mir. Da ist es unmöglich von solchen, sich überlegen Glaubenden noch Respekt zu erwarten. So meine Meinung. Jugendliche sind noch formbar. Sie innerhalb unserer Gesellschaft durch Unterlassung zu Gleichgültigkeit und Unsensibilität zu erziehen, das – so muss ich sagen – ist eine einzige Katastrophe, die Konsequenzen nach sich ziehen wird. Heute sind es die ‚Naturfuzzis‘ über die man sich lustig macht, morgen sind es die Alten, die Rücksichtslosigkeiten auszubaden haben.
Doch einer dreht sich schließlich zu uns um und sagt: „Ich finde gut was ihr macht!“
Allein dieser kleine Satz an diesem Tage, den dieser Junge spricht, der lässt mich hoffen. Denn auch Polizisten kreuzen schließlich unseren Weg. Sie kommen aus (gleich vier!) Mannschaftswagen heraus gesprungen … fünf, sechs, ebenfalls junge Männer an der Zahl … und der Wortführer möchte die Genehmigung dieser, unserer „Versammlung“ sehen. Ich war bei solch einer Aktion das erste Mal zugegen, deshalb wunderte ich mich – Versammlung? … vier Leutchen mit einem Schild? … Ist das nicht ein bisschen übertrieben Menschen, die sich Sorgen machen, wie Bösewichte zu behandeln? So als nähmen sie sich zu wichtig?
WAS bitteschön ist den Wichtiger als das Überleben der Menschheit auf diesem genial eingerichteten Planeten?
Von den ordnungshütenden Polizisten kam einer mit mir ins direktere Gespräch. Großgewachsen moniert er, dass Fotos – auch von hinten – nicht gewollt sind, als ich nachfrage, ob ich eines machen darf. Er unterstellt mir, die Polizei als gewalttätig darstellen zu wollen. Ich hätte also mal lieber nicht fragen sollen! Jetzt hatte also auch ich, die ich alles andere als gewalttätig bin, das Stigma an meiner Backe zu kleben! Mir jedoch ging es um die Bildsprache an sich, die sich mir förmlich aufgedrängt hat; denn das Machtgefälle, es sprang mich regelrecht an. Diese Überzahl an Ordnungshütern, die sich vor einer mickrigen Gruppe von Aktivisten (mit Musik) aufbauten, ergab für mein Empfinden, reichlich komisches Potential. Wäre das Anliegen nicht so ernst – man hätte darüber lachen können! Spannend, dieser Kontrast, der sich aus dem dunklen, kraftvollen Blau der Uniformen im Vergleich zu den zierlichen Skelett-Kostümen der Aktivisten ergab. Irgendwie empfand ich da großes Mitleid – und das nicht nur für die mir nahe stehenden Aktivisten.
Natürlich ist die Gesellschaft aufgebracht darüber, was auf der Wiese vorm Kanzleramt geschieht! Denn die immer mehr werdenden Umweltschützer und Klimaaktiven, die friedlichen Rebellen, Wissenschaftler und Weltverbesserer, die jungen und die alten Kassandras – sie alle halten der großen gelangweilten Masse, schließlich einen Spiegel vor! Das Bild, welches satte und selbstzufriedene Menschen von sich selber haben, wird dadurch aktiv infrage gestellt!
HUNGERN BIS IHR EHRLICH SEID! DENN SO WIE WIR LEBEN, KÖNNEN WIR NICHT WEITERLEBEN.
So auch jene bereits Erwähnung gefundene, aufbrausende Schäferhundezüchterin, die den schönen Tag offensichtlich auf einer der Bänke, einfach nur genießen und nicht über die Zukunft – die sie nicht mehr erleben wird – diskutieren wollte! Angeblich redliche Menschen, die ihrer Arbeit fleißig nachgehen, früh aufstehen und es darum auch verdienen, ‚gutes Geld‘ zur reichlichen Verfügung zu haben, deren Meinung ist, weil sie also durch ihrer Hände Arbeit stetes Wirtschaftswachstum bewirken, als naturgegeben wichtiger zu erachten! Wichtiger und richtiger jedenfalls, als das viele ‚Gerede‘ der Aktivisten – die von Klimagerechtigkeit und Naturerhalt so verzweifelt predigen.
Worauf gut verzichtet werden kann! „Die können doch auch was anderes machen“, sagt mir einer im Gespräch. Ich frage nach, ja was denn? Was würden Sie denn anderes tun? Haben Sie eine bessere Idee? Diese Frage hätte ich mir lieber verkneifen sollen, denn ich erhalte sogleich die dämliche Quittung dafür: ESSEN! Die einfach Gestrickten dieser Welt, sie werden die Sensibleren nie verstehen! Die Gleichgültigen sind überall zu finden … sind, wie die Geldgierigen auch, in allen gesellschaftlichen Schichten zu Hause und verderben allen anderen, die Lust am Leben – wenn das so weiter geht, wie bisher. Die mit Phantasie Begabten, die sich die drohende Zukunft in allen erdenklich düsteren Farben nur zu genau vorstellen können, sind eindeutig noch immer in der Minderzahl.
Nicht mehr zu entschuldigen ist für mein Dafürhalten eine vorgeschützte, naive Unwissenheit, die in aller Erhabenheit verdrängt! Das betrifft hochkomplexe Lebensläufe ebenso wie einfach strukturierte. Doch niemand kann heute noch behaupten, er oder sie, habe es nicht gewusst. Auch Olaf Scholz nicht. Sicherlich gibt es derzeit für ihn allerhand gleichzeitig zu bewältigen was ihn als Regierenden allerdings nicht von der Pflicht befreit eventuelle, durch das Klima hervorgerufene Schäden, von der Bevölkerung abzuwenden. Manche seiner Gefolgsleute nehmen sich einfach zu viel heraus ohne abgemahnt oder auch nur leise kritisiert zu werden, Beispiel Verkehrssektor! Die vielen bisherigen Bundesverkehrsminister beispielsweise, die hatten jeder für sich genommen in den Jahren ihres Wirkens, ein zu leichtes Spiel. So auch jetzt wieder, wo Autofahren mit Tempo-Einschränkungen auf Autobahnen das Gebot der Zeit hätte sein müssen. Die breitere Bevölkerung jedenfalls ist sensibilisiert und hätte ein Tempolimit, wenn auch nicht in totaler Begeisterung – so doch aber mitgetragen! Herrn Wissing von der FDP interessiert das alles nicht. Ihm ist wichtiger seine Alphas nicht zu enttäuschen.
Darum benötigen die Aktivisten im Kampf gegen Dominanz, Rücksichtslosigkeit und fehlenden Tiefgang, dringend jedermanns und jedefraus Unterstützung!
Die mit sich selbst beschäftigte, dröge Politik, scheint nämlich wenig ergriffen zu sein von dem – was drei willensstarke Bürger Deutschlands hier im Begriff sind, zu tun. Lassen unsere Politiker es auf das Schlimmste ankommen? Was, wenn der erste Aktivist stirbt? Die Schweiz wurde jetzt in Straßburg im sogenannten „Klima-Seniorinnenstreit“, vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt, zu wenig für den Klimaschutz zu tun, betreffs des ‚Privatlebens‘ dieser Seniorinnen – was also speziell deren Gesundheit in Zeiten des Klimawandels, meint. Zudem sind sie von den Schweizer Gerichten wohl zuvor nicht angehört worden – sprich, man nahm diese Frauen anscheinend nicht ernst.
Als ich im Zug Richtung Werder sitze, sehe ich die Grunewald-Bäume im Abendlicht in geheimnisvollem Grün und in allen Schattierungen – von rötlich bis olivgelb – aufleuchten. Und auch in den Gärtchen der vielen Kleingartensparten am Berliner Stadtrand, die an mir vorbeirauschen, blüht es mächtig gewaltig! Flieder- und Obstbaumblüte sind überall so üppig in diesem Jahr, das regenreicher ausfiel als das letzte. Brandenburger und Berliner können derzeit kaum klagen, man könnte in der Tat annehmen, die Wissenschaftler irren sich gerade! … gäbe es nicht überall genug Anzeichen dafür, dass dem nicht so ist. Ich denke beispielsweise an Park Sanssouci, wo immer mehr der alten Bäume absterben. Dann eben einfach Neue zu pflanzen, wie manche oberschlaue Mitmenschen empfehlen, erübrigt sich. Wir alle wissen doch, dass die Lücken, wenn sie einmal da sind, nicht oder kaum wieder geschlossen werden. Wenn ich auf der Landstraße nach Hause fahre, könnte ich heulen, die einst dicht bewachsenen, grünen und für Brandenburg so typischen Alleen, die werden in den Bereichen ihrer Kronen lichter und kahler und jedes Jahr wird wieder ein gehöriger Anteil dieser Bäume gefällt, weil sie dem Stress nicht mehr gewachsen sind.
So geschehen auch wieder in diesem Frühjahr. Irgendwann werden wir uns eingestehen müssen: DAS WÜSTE, es lebt!
In dem Zeichentrick-Film „Wall-E“ – Der Letzte räumt die Erde auf – von Thomas Newman, befinden sich zum Filmende die Menschen auf einem entfernten Planeten in perfekt, ihren unförmig-übergewichtigen Leibern angepassten und bequemen ‚Babyschalen‘. Sie lassen sich mehr liegend als sitzend hin und her befördern und werden gefüttert – wie Kleinstkinder. Selber denken müssen diese geistig armen Protagonisten des Trickfilms aus dem Jahre 2008, jedenfalls NICHT mehr und das SOLLEN sie ja auch nicht, darum geht es.
Noch Fragen?
Maren Simon, am 18./19. April 2024
Besucher im Camp am Kanzleramt sind immer willkommen. Helfen oder selbst aktiv werden ist möglich mithilfe des folgenden Links:
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