Erst der SCHADEN, dann die SCHERBEN

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Freundin Katjas Lebkuchenstern aus dem Jahre 2022, Abformung

DIE SCHLIMMSTE ART DER UNGERECHTIGKEIT IST DIE VORGESPIELTE GERECHTIGKEIT. (Platon)

Das Jahresende naht, schon jetzt will darüber nachgedacht werden, welche guten Vorsätze man sich für das kommende Jahr vornimmt und konkret welche Wünsche realistisch wären für 2024 … doch, was wünscht man sich und seinen Mitmenschen in diesen schlimmen Zeiten?

Es gibt nur diesen einen Wunsch: FRIEDEN. Denn nur darauf baut alles andere auf.

Ohne den historischen Kontext zu hinterfragen und statt der Quelle der Gewalt nur ihre Symptome zu behandeln, wird es jedoch keinen Frieden geben. Krieg als das letzte aller Mittel, wenn Worte nicht mehr helfen und alles Reden nichts mehr nützt, muss trotzdem als die falsche Initiative angesehen werden.

Deshalb sind Mediatoren, die hinterfragen und ohne Vorurteile sind, aktuell so wichtig.

Die Frage ist doch die: sollen alle Palästinenser auswandern? Ist das das Ziel? Sicherstellen zu wollen, dass von Gaza keine Bedrohung mehr ausgeht, wie Netanjahu betont, bedeutet: Ein Palästina ohne Palästinenser! Seine Feststellung bis zum Ende weitermachen zu wollen, bis zum Sieg, lässt Böses erahnen. Wo sollen die Menschen denn hin? Jetzt werden diese Armen, die kaum noch mehr besitzen als ihre Kleider, die sie auf dem Leibe tragen, aktuell in Gaza von israelischer Seite und ohne Gnaden – hin und her getrieben. Hunger und Kälte, Krankheiten und Wasserknappheit machen ihnen zu Schaffen. Mitten drin die Kinder! Mit dem Hinweis, durch Beschuss der zivilen Bevölkerung von Seiten der israelischen Armee, lediglich die Hamas auslöschen zu wollen, ist ihnen nicht geholfen. Meine Zweifel an Israel (und dessen Recht auf Selbstverteidigung) wachsen und das nicht erst seit der letzten Tage. „Wenn man ein friedliches Palästina will, muss man zuallererst über ein freies Palästina sprechen“, sagt Ilan Pappé, Professor für Geschichte, Direktor des Europäischen Zentrums für Palästinastudien, Universität Exeter, UK. Ich verstehe das alles kaum und muss mehrmals lesen, um wenigstens halbwegs die Zusammenhänge nachvollziehen und verstehen zu können.

Ich streiche erst in NeonGelb, dann in NeonRot einiges an … Und dann lese ich von der Tolerierung einer kleinen Ungerechtigkeit, die geschah, um eine viel größere Ungerechtigkeit zu korrigieren, nämlich: „Die Palästinenser mussten die Juden für tausend Jahre europäischen und christlichen Antisemitismus entschädigen.“ Ich kennzeichnete diese Aussage mit einer dritten Farbe – in NeonGrün …

Ist das der eigentliche Kernsatz des Anstoßes, vor dem sich die Welt-Politik – insbesondere wir Deutschen und die USA – zu fürchten scheint?

Margot Friedländer, Überlebende des Holocausts sagte in einem Interview. „Ihr braucht andere Menschen nicht zu lieben. Aber Respekt vor anderen ist unverzichtbar.“ So ihre Worte. Friedländer, 1921 geboren, tritt als Zeitzeugin in Schulen auf und wirbt dafür, sich in Gegenseitigkeit zu achten. Sie wurde am 5. November 102 Jahre alt. Dass sie die aktuellen Diskrepanzen um den Konflikt in Nahost miterleben muss und darüber hinaus alles Jüdische jetzt auch in Deutschland wieder, nur noch möglichst unauffällig vonstatten zu gehen hat, ist schlimm und durch nichts zu entschuldigen.

Wir alle wissen aus eigener Erfahrung dass, wer sich unterdrückt fühlt, meist nicht weiter kommt, indem er freundlich um Abhilfe bittet. Egal, welcher Religion oder welcher menschlichen Rasse einer angehört. Wer sich gezwungen sieht, um Gerechtigkeit bitten zu müssen, darf keine Hilfe erwarten, sondern wird allein gelassen, es sei denn, er hat etwas in der Hand! Um Gerechtigkeit und damit einhergehend, Aufmerksamkeit zu erhalten, muss man aufbegehren, muss sich positionieren, muss sich mit Gleichgesinnten verbünden, um stark zu werden und zahlenmäßig überzeugen zu können und darf nicht leise, sondern muss laut auftreten. Im großen Buch von der Geschichte der Menschheit war jedenfalls noch nie davon zu lesen gewesen, dass Unterdrückte zu ihrem Recht gekommen wären, allein durch ständiges Nachfragen und höfliches Bitten. Ich lege Wert darauf zu betonen, dass es sich hierbei um eine Feststellung meinerseits handelt, die ich mit Herrn Pappé teile. Seit 1929 befindet sich das palästinensische Volk in einem Befreiungskampf gegen die Siedler. „Je länger Kolonialisierung und Unterdrückung andauern (Stichpunkt Sklavenaufstände), desto wahrscheinlicher ist es, dass der Ausbruch gewalttätig und verzweifelt in vielerlei Hinsicht ist“, so der Professor.

Die Zivilisten, die in der Schusslinie stehen, werden nicht gefragt, welche Form der Kriegsführung sie gern hätten, sie leiden jedoch am stärksten darunter. Und wenn jetzt in Russland und der Ukraine die Frauen aufbegehren, weil sie ihre Männer zurückhaben wollen, ist das ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Allerorts ist die Welt in besorgniserregender Bewegung: Landschaften, die durch Erdbeben und Vulkantätigkeit erschüttert werden und auch die Natur in Form von Gewalten, die zunehmen und über alles Lebendige hereinbrechen, weil sich das Klima verändert. Und nicht zuletzt sind es auch die Menschen selber, die sich in Gegenseitigkeit bekämpfen und die dann natürlich auch das Land, mit den darin lebenden Tieren und Pflanzen, gleich mit verwüsten … was Greta Thunberg u. a. meinte, als sie davon sprach, dass es auf besetztem Land keine Klimagerechtigkeit gäbe … denn Klima-Ungerechtigkeit trifft zuerst die Armen und Obdachlosen, die sich kaum schützen können. Das Wissen um den Klimanotstand bewirkte in all den Jahren, solange wir nun schon Kenntnis von sogenannten Kipp-Punkten haben und trotz des Druckes, den Wissenschaftler, Intellektuelle und Aktivisten deshalb auch ausüben, kaum gewünschtes, politisches Handeln. Weil dafür anscheinend bei all den anderen, noch so anstehenden Problemen, die uns Menschen viel wichtiger sind – keine Aufmerksamkeit mehr übrig bleibt. Diese ‚flapsige‘ Einstellung, so muss ich sagen, kann nur als FATAL gebrandmarkt werden. Es ist mir jedenfalls mehr als nur schleierhaft, wieso die Klugen unter uns – und das sind Viele! – sich das ALLES noch immer so ruhig gefallen lassen. 

UNSERE WELT GEHT KAPUTT! …

In Dubai fehlt Greta Thunberg – die Klimabewegten geben sich zerstritten. Ich denke, die junge Frau wurde bewusst missverstanden, nur, weil sie sich FÜR Palästina aussprach ohne hierbei auch die Juden zu erwähnen? Die Zerstrittenheit der Klimabewegten spielt der Wirtschaft jetzt – wie geplant? – in die Hände, die schon wieder stöhnt, wie schlecht es ihr geht. Auch der Papst, den eine Erkältung plagt, fehlt. Leider, denn er stünde für VERNUNFT. Und Habeck. Ausgerechnet er, der eigentlich nach Dubai müsste, weil er als „Grüner“ tatsächlich etwas zu sagen hätte, im Gegenteil zu anderen, die nur unambitioniert labern, – auch der fehlt, denn er wurde von oberster Stelle nach Hause zurückbeordert, weil Deutschland angeblich „ohne Alternativen“ der wirtschaftliche Kollaps droht.

Da komme ich nicht mehr mit … diese maßlose Übertreibung!

Es scheint, als hätten die Bösewichte dieser Welt ein leichtes Spiel. Ihre dicht gewebten Netzwerke halten. Denn sie sind sich einig und lassen sich NICHT spalten. Und mir deucht, dass alle Entscheider immer nur wissen, wie es NICHT zu bewerkstelligen ist, die aktuell stattfindenden Kriege zu beenden. Sie wissen auch nicht, wie das 1,5 ° C-Ziel einzuhalten ist. So auch in Brandenburg, wo jetzt auf Zwischen- und Sektorziele gesetzt wird … was heißen soll … Verantwortung (das „faule Ei“, Zitat Peter Altmaier) leichter noch als bisher, weiterzureichen, um es (das Ei) also sie (die Verantwortung), von einem zum anderen, hin und her schieben zu können. Die Wortwahl ist jedenfalls beeindruckend. Auch in Dubai. Es handelt sich schließlich um die 28.-igste Klimakonferenz dieser Art – doch bisher kann nicht davon die Rede sein, dass wir Erdenbewohner auf gutem Wege wären! Und hört man den Ausrichtern der Konferenz zu, dann bleibt das auch so, weil ihrer Meinung nach die Dekarbonisierung, gar nicht notwendig ist. 

Ich frage mich, wer von den machthabenden Entscheidern, würde denn seiner Lieblings-Sparkasse beim Sterben zusehen wollen? KEINER! Denn das viele LIEBE Geld auf dieser Bank, IHR Geld, das wäre ihnen wichtiger. Deshalb brauchen wir keine Konferenzen mehr. Egal wo … denn angesichts der Handlungen, die ausbleiben, ist alles Gerede von vornherein umsonst. Auch der Wolf, der Kreide frisst, säuselt nett. Und auch auf die berühmten Krokodile, deren Tränen niemanden erweichen, kann / muss/ sollte doch nun endlich verzichtet werden. WER EINMAL NICHT DIE WAHRHEIT SPRICHT; DEM GLAUBT (e) MAN (früher) NICHT. Anstatt immer nur zu jammern, ist es notwendig, dass sich die Grundstimmung ändert dahingehend, Klimaschutzmaßnahmen weniger als Belastung und Luxusverlust zu empfinden, wie bisher geschehen. Wenn ALLE gleichermaßen eine Chance zum Überleben bekommen sollen, muss der EGOISMUS aufhören, den die reichen Länder des Westens sich gönnen. Es gab da in der früheren DDR diesen Weckruf, der zum Inhalt hatte, dass sich alle Völker dieser Welt die Hände reichen sollten

Vielleicht spielen deshalb auch HÄNDE in meinen Werken eine so wichtige Rolle, denn sie tauchen darin immer wieder auf. Hände, die streicheln, beschützen und halten, oder sich aufeinander zubewegen …  

„Spiegel“ – gebaut für einen jungen Wissenschaftler speziell nach seinen Wünschen, 2022, Maren Grünemitten Simon, Ton-Scherben-Collage, Höhe ca. 65 cm

Ich bin nicht glücklich darüber, aber mit meinen Scherben habe ich anscheinend DAS Mittel der Wahl gefunden, um die aussichtslose Lage zu beschreiben, in der wir Menschen uns befinden. Alles dröselt irgendwie davon und fällt auseinander. Verantwortung kennen sie nicht, die, die ihre Fäden lieblos laufen lassen ohne darauf zu drängen, endlich nach praktischen Auswegen zu suchen. Und dieser Fakt bewegt mein Gemüt: Wir kleben nur ständig alle von Menschen angerichtete Verwüstung, irgendwie nur in notdürftiger Art und Weise zusammen und reparieren immer wieder nur das Alte, anstatt den Ursachen auf den Grund zu gehen und eine neue Ordnung allen menschlichen Zusammenlebens (auf Augenhöhe) anzustreben. Warum hegen und pflegen wir das Chaos, anstatt es endlich zu beseitigen? Weil Geld immer die einfachere, weil, die BILLIGERE Lösung ist.

Damit die uralten Machtverhältnisse erhalten bleiben und nicht etwa ins Wanken geraten.

Hüben wie Drüben. Das Schlimme, das Üble, es vollzieht sich ja nicht nur im Großen, es geschieht auch im Kleinen. Es ist sozusagen omnipräsent, weil es uns alle mehr oder weniger betrifft. Wenn die Vernunft schläft und sowohl Gier als auch Macht freien Lauf gelassen wird, kommt – das ist nicht anders zu erwarten – nichts Gutes dabei heraus. Nun ist aber leider ein Punkt erreicht und bereits überschritten worden, der unser aller Leben als Erdenbewohner bedroht, denn der Hitze sind Pflanzen und Tiere und auch wir selber auf Dauer nicht gewachsen, weswegen die Eindämmung der Erderwärmung das wichtigste Anliegen sein muss. Es nützt nichts dem ausweichen zu wollen, indem KRIEGE vorgeschoben werden, weil die Bemühungen zu deren Konfliktlösung, angeblich wichtiger sind.

Schon werden von den reichlist Begüterten dieser Welt, diesen Egoisten, Bunkeranlagen unter Tage nicht nur geplant, sondern bereits gebaut und verkauft. Ja, fällt denen denn nichts Besseres ein, als sich wie KELLERASSELN geschützt vor dem Sonnenlicht, darin zu verschanzen? … Während das Leben draußen den Hitzetod stirbt!

Und weil ich diesen Umstand als unfassbar traurig empfinde, bleibt meine Arbeit davon nicht unberührt. Des Öfteren waren die Scherben deshalb bereits Thema innerhalb meiner Texte gewesen. Ich muss also nicht ausufernd berichten, habe aber heute nun einige figürliche Beispiele parat, die vielleicht von Interesse sein könnten. Deshalb zuerst einmal ein Werkstattbesuch. Hier ist Unordnung Programm! Und darauf bin ich stolz, denn es sind zumeist die Langeweiler und Überdisziplinierten, die ihre Schottergärten pflegen und es nicht ertragen, Veränderung zu akzeptieren und zuzulassen. Leute, die so blöd sind, dass denen erst erklärt werden muss, wieso IGEL (das Tier des Jahres) in solchen sterilen Anlagen nicht mehr mit sich (und ihren Familien) wissen, wohin.

Aber das ist wieder ein eigenes Thema. Eines, das ebenfalls von mangelnder EMPATHIE handelt. Die Parallelen sind auffällig, oder?

Die aktuelle, Simonsche Werksattsituation, Anfang Dezember 2023

ZUERST KOMMT DER SCHADEN, ALLES FÄLLT AUSEINANDER, DANN KOMMEN DIE SCHERBEN … und dann die Reparatur.

Ironie des Schicksals. Denn mit den Scherben kommt in meinem Falle, das Beste zum Schluss. Es scheint absurd, aber ausgerechnet diese Scherbenplastiken, die von HEILUNG sprechen, weil ich zusammentrage, was einst lose in der Welt herumlag, sind mir derzeit die Liebsten. Mit der Erfindung der Keramik ist auch ja die Scherbe erfunden worden. Das wissen die Wenigsten, all jene nämlich, die ansonsten der Frage nachsinnen, ob Ei oder Henne zuerst da waren. Im Falle der Scherben ist fast schon als philosophisch die Tatsache anzusehen, dass das eine das andere im Schadensfall bedingt – umgekehrt aber daraus dann, Schadensverhütung entsteht! Werden nämlich geborstene oder zerbrochene Tonfragmente zu kleinsten Schamottestückchen vermahlen, dem noch frischen (mageren) und deshalb wenig bindungsfähigen Ton hinzugefügt, dann erhöht sich dadurch dessen Qualität zugunsten seiner Widerstandsfähigkeit. Ist das nicht genial?

Ja, das ist es.

Die Bildhauer sind in der Lage mit solchen, aus „geschottertem“ Ton aufgebauten und besonders großen Werken, den Himmel zu stürmen … wenigstens ein bisschen. Seit einigen Jahren fertige ich meine KUNSTWERKE aber lieber gleich direkt aus den SCHERBEN – die überall zu finden sind – selbst an. Das spart Kosten und Energie und ist zudem eine schöne Herausforderung, denn einfach kann es schließlich jeder mit etwas Übung und Talent. Für die Scherbenarbeit muss man aber ein Händchen haben, ähnlich dem grünen Daumen der Gärtner.

„Mädchen mit Ohrschmuck“, 2023, Maren Grünemitten Simon, Terrakotta, Porzellanente, Weihnachtskugel und Scherben, Höhe ca. 75 cm – bei Aufnahme noch in Arbeit befindlich

Innerhalb meines Lebenslaufes konfrontierte mich das Leben bereits früh mit dem Chaos, das auf uns zukommen würde – denn sowohl das Wetter als auch die Menschen fingen an, sich zunehmend merkwürdig zu verhalten! Innerhalb der Familien nahm die Kälte zu – während es doch aber draußen im Winter, allmählich milder zu werden begann! Die Sommer wurden immer heißer und damit trockener und unberechenbarer. Mit der Übernahme des Ostens durch den Westen wurden uns (trotzdem) mehr „Blühende Landschaften“ prophezeit. Nur leider waren die Leute allzu beschäftigt damit, sich um ihre kleinen privaten Interessen zu kümmern, weshalb sie das große Ganze aus dem Blick verloren haben.

Sie merkten deshalb nicht, dass es nur noch Oberfläche aber keine Tiefen mehr gab.

Äußerlich und auf den ersten Blick betrachtet, das muss man schon sagen, ist natürlich manches inzwischen auch bei uns, viel attraktiver geworden. Die alten, bröselnden Fassaden in Grau und Dunkelbeige sind heute (Optimismus verbreitend) pastellig gehalten; in zuckrigem Rosa, frischem Mint oder freundlichem Sanftgelb. Ganz allgemein kann zugleich festgestellt werden, dass sich für viele mehr Wohlstand ergab, weil die Bezahlung natürlich ebenfalls eine andere war und so kam es, dass nun jedermann ein „Westauto“ sein eigen nannte, auch, wenn es da noch recht große Unterschiede gab.

Diese Unterschiede sollten jedoch mit den Jahren immer wichtiger werden!

Denn mit dem Wohlstand kam auch der Vergleich. Und mit dem Vergleich ergaben sich Fragen. Mit den Fragen entwickelten sich Missgunst und Neid. Beide sorgten dafür, dass es zunehmend schwerer wurde miteinander zu reden, der Vorurteile wegen, die plötzlich im Raume zwischen den Menschen standen, wo es früher kaum welche gab. Rivalität und Konkurrenz, Eifersucht und Selbstzweifel einhergehend mit Minderwertigkeitsgefühlen, die vermehrt zu depressiven Stimmungsschwankungen führten … all das gehörte zum neuen System dazu. Nur wussten das die ehemaligen  DDR-Bürger damals noch nicht. Sie sehnten sich, das klingt heute ein wenig naiv, nach Farben und nach Düften. Und sie wollten sich endlich auf entferntere Reisen begeben können, wollten endlich die weite Welt erleben. Doch solcherart aus vielen Gründen Ausgebliebenes, das fördert bei manchen nun aktuell mehr und mehr, Unzufriedenheit zutage. Eine allgemein gesteigerte Aggressivität untereinander, ist das Resultat davon. Was dann – der eine mehr der andere weniger – zu spüren bekommt.

Manche begehren jetzt auf, indem sie sich allem verweigern.

Die sich auftuenden Brüche und Verwerfungen innerhalb der Gesellschaft, fülle ich im übertragenen Sinne mit den Scherben, die ich finde, wieder auf. Wenn ich in der Natur unterwegs bin, dann bücke ich mich andauernd, denn sie liegen ja praktisch überall herum! Ich habe nicht nur meine Freude daran, sie zu verwenden, ich repariere dank ihrer Hilfe außerdem meine eigene geschundene Seele. Denn auch ich habe mit dieser Gesellschaft ein Problem. Ich passe da nicht rein, heute ebenso wenig, wie ich bereits gestern schon nicht reinpasste, als wir noch den Sozialismus zu ehren und zu preisen hatten. Was nämlich auch nicht immer einfach war … Haben die Leute heute Rücken (im Nacken oder am Steiß) so plagten manche DDR-ler zu damaliger Zeit ebenfalls gewisse Haltungsprobleme, die auch Rücken machten, aber eben halt anderswo, mehr undefiniert … mittig … gelegen.

Dabei waren eigentlich früher schon, sehr viele von uns bereits super fortschrittlich gewesen, so bescheiden wie wir lebten. Heute sind die Unterschiede – dank Persil für alle, nicht mehr zu riechen. Aber damals fühlten wir uns minderwertig ohne all das überflüssige Gedöns des Westens, gaben unsere einfachen Leben her und jagten anderen Idealen nach. Mit dem Deal, den wir Ostdeutschen ohne Zögern eingegangen sind, gaben wir alle Gestaltungsmöglichkeiten auf – zugunsten einer neuen Ordnung, der das Geld näher als die Demut war, auf die gut verzichtet werden konnte.

Und das war falsch.

Die Menschen spüren das ständige Ungleichgewicht, das unschöne Auswirkungen hat und nach Kompromissen verlangt. Doch können sie es nicht in Worte fassen. Aber Künstler können das. Ihnen tun sich darum Fragen wie diese auf: Warst du nicht fett und rosig? Warst du nicht glücklich? Wo fing das an und wann? Was hat dich irritiert? Was ist passiert? Hast du denn niemals richtig rebelliert? Was hat dich bloß so ruiniert? … (Ausschnitt aus dem Album POSEN, 1996, Titel: „Was hat dich bloß so ruiniert?“ von der Band „Die Sterne“)

Ja, was hat uns alle bloß so ruiniert?

Mit dieser Frage bin ich bei mir selber und meinem eigenen SCHERBENHAUFEN angekommen – nachdem ich die große, aktuelle Weltlage tangierte, west- und ostdeutsche Eigenarten beschrieb und die eigentliche Aufgabe ansprach, der wir uns mit Intensität zu widmen hätten – anstatt aufeinander loszugehen. Ich kann natürlich nur über meine eigenen Erfahrungen schreiben, aber ich weiß, dass jeder seinen privaten Scherbenhaufen vor der Türe zu liegen hat. Jeder.

Da kann ich echt froh sein, meinen Mann an meiner Seite zu haben!

Ich wähle als Beispiel zur Einstimmung auf das Folgende mal unseren Polterabend, jenen Brauch, den noch nicht Verheiratete über sich ergehen lassen müssen und der GLÜCK bringen soll. Wirklich zu schade … um diese schönen Teller, die alle ganz eigen und alt und mit den Jahren ihrer Benutzung gereift, anlässlich dieses Abends zu einem stattlich aufgetürmten Geschenk, liebevoll in Papier verpackt worden waren! Für mich und meinen baldigen Ehemann … hübsches Geschenkpapier mit Blümchen darauf – aber mir musste und sollte! … der ganze Stapel krachend aus den Händen fallen.

Allein darauf hatte es – getreu dem Motto Scherben bringen Glück – der Schenkende ja angelegt! Schönstes Familienporzellan lag anschließend überall versprengt herum und hätte ich damals nur ansatzweise geahnt, was mir das Leben an Unbequemlichkeiten noch alles bescheren würde – ich hätte den Müllsack mit diesen Kostbarkeiten aufgehoben! Aber derart zerschlagen, wie diese Teller aus Großmutters Schrank nun im Müll gelandet waren, waren sie leider wertlos geworden.

… waren ihren WERT im wahrsten Sinne des Wortes LOS!

„Selbst mit abgeschlagener Nase“, 2023, Maren Grünemitten Simon, Terrakotta, Glas- und andere Scherben, Höhe ca. 65 cm

Und plötzliche Wertlosigkeit kann sogar Menschen treffen! Diese werden dann mit einem Schlag zu Sündenböcken, schwarzen Schafen, oder schwarzen Petern, oder zu Bauernopfern gemacht – nicht umsonst hat unsere detailfreudige Sprache, ja dafür so derart viele Varianten parat! Deutliche Bezeichnungen für all jene, die ausbaden müssen, was andere verbockt haben! Dafür gibt es der Gelegenheiten viele! Wenn der Bock zum Gärtner gemacht wird beispielsweise. So manchem wird sogar ein dicker Bär aufgebunden, oder einer fällt in die Grube, die extra für ihn gegraben wurde. GLÜCK hat oft nur der Dritte, also jener, der zuletzt lacht!

Deshalb betrachte ich Scherbenes und Kaputtes heute anders.

Denn auch ich bin ein schwarzes (Familien-) Schaf, das mit seinen eigenen gemachten (bösen) Erfahrungen, die ihm einst aufgebürdet wurden und nun auf seinen Schultern lasten, genauer hinschaut! Genauer jedenfalls als die anderen, die sich ihrer Verantwortung entziehen – und sich deshalb überhaupt die schwarzen Schafe für ihr Seelenheil zum Überleben halten! … müssen.

Auf Kosten dieses Einzelnen, der ohne Zuspruch zu erfahren, viel zu lange nur am Rande stand (und dies irgendwann nicht mehr tun wollte), befinden sich alle anderen Schafe innerhalb der Mitte, immer hübsch dicht beieinander gedrängt und miteinander auf Augenhöhe, so halten sie sich warm – um sich dort in trauter Gegenseitigkeit, ihrer Liebe und Zugehörigkeit zu versichern. Hierbei ist der ständige Austausch nur immer ÜBER den Abgedrifteten naturgemäß Programm, denn MIT dem zu reden, könnte ja dazu führen, geschoren(!) zu werden, weil sich die Wahrheit dann unschön ihren Raum greifen würde! … der ihr vonseiten der vielen und darum überlegenen, weißen Schafe, einfach nicht zusteht.

So simpel ist es meistens! Und das eine Wort, das alles hin zum Guten verändern könnte – es heißt VERANTWORTUNG. Bleibt sie aus, dann ist es nach meiner Erfahrung das Beste – man verlässt seine MUTTER-Herde und geht – um einem eventuellen Schaden an der Gesundheit, der von der Psyche ausgehend, sich überall bemerkbar machen kann, vorzubeugen. Am Besten hilft, man gründet seine eigene Herde! Dann ist man raus … und ist weg vom Fenster.

Steht für FAMILIENGLÜCK! … die SAMMELTASSE.

Doch mit meinem Fortgang wurde der BRUCH eingeleitet. Hier liegt konkret mein Bezug zu den SCHERBEN, die ich stets bemüht bin – neu auszurichten. Ich bin immer erfolgreicher dabei, sie zum gegenseitigen Zusammenhalt zu überreden – nach meinen Regeln. Denn die andauernde Unterdrückung, die machte mich krank! Aufgrund bestehender familiärer Spannungen, die entweder aus anderen Generationen kommend, also schon da waren oder aber zunahmen, als ich heranwuchs, bin ich wahrscheinlich überhaupt Künstlerin geworden. Dazu weiter unten mehr. Seit bald 35 Jahren bin ich nun als bildende Künstlerin schon tätig. Anfangs war ausrangiertes, zartestes PAPIER das Material meiner Wahl gewesen, um darauf zu malen. Zum geschmeidigen TON, mit dem ich in der Lage war dreidimensionale Werke zu schaffen, kam ich erst später, mehr oder weniger zufällig. Vom Papier über den Ton hin zu den SCHERBEN mit MEHRWERT, die nun also in den letzten 10 Jahren immer wichtiger für mich wurden, war es nur ein kleiner Schritt gewesen. Auch hier interessiert mich nicht das Glatte oder Glänzende! Im Gegenteil. Mühsam tastete ich mich vor und anfangs ging auch manches daneben … und eines schönen Tages band ich eine solche ‚Verunglückte‘ einfach zu Testzwecken in die nächste Arbeit mit ein, denn ich sträubte mich dagegen, unnötigen Abfall zu produzieren.

Und siehe da, das Ergebnis verblüfte.

Fortan sollte die Scherbencollage zu einem bevorzugten Gestaltungsmittel werden.

Ich begann zu sammeln, zu bewahren und zu sortieren. Mit den Jahren entstand eine ansehnliche Scherbensammlung, denn es wurden immer mehr; ich hielt jetzt regelrecht Ausschau nach ihnen und fand bald so viele davon, dass meine Werkstatt irgendwann überquoll. Bei jedem Spaziergang bückte ich mich, hatte immer eine Tüte dabei oder zumindest im bequemen Armee-Tarnmuster-Gebirgsjäger-Parka, gleich VIER übergroße Taschen.

Waren die Scherben anfangs noch nicht ordentlich nach Farben sortiert, sondern gelangten eher wild und zufällig zum Einsatz, änderte sich das irgendwann. Denn jetzt begann ich in Kästen, Schachteln und Eimern die unterschiedlichsten Varianten von scherbenen Stücken in allen möglichen Erscheinungsformen und Farben oder auch unterschiedlichster Größen, hübsch voneinander getrennt, aufzubewahren. Ähnlich wie der Maler auf seiner Palette Tupfen von Farbe aus der jeweiligen Tube quetscht, die er entsprechend wählt, greife ich inzwischen auf die Schachteln, Kisten und Eimer zurück, die wild um mich herumstehen, wenn ich im Arbeitsprozess stecke. Wer keinen Sinn für das Chaos hat, welches nicht nur als negativ anzusehen ist, der wird, der kann es nicht verstehen. Dem Ordentlichen wird beim Anblick dieser vermeintlichen Unordnung übel. Aber ich brauche sie, diese mich inspirierende, andere Form von Ordnung; nur so bin ich in der richtigen Stimmung und in der Lage, immer sofort da weiterzumachen, wo ich tags zuvor, aufgehört habe.

Hier kann Albert Einstein mit seiner mich tröstenden ‚Erkenntnis‘ vielleicht als Vermittler fungieren: „Geniale Menschen sind selten ordentlich. Ordentliche selten genial.“ … und vor die gelungene VOLLENDUNG hat Gott deshalb auch die TAT gesetzt.

„Perlmutti“, 2023, Maren Grünemitten Simon, Terrakotta kombiniert mit groben und feinsten Scherben, Höhe ca. 73 cm

Dabei achte ich auch auf die verschiedenen Stärken. Nicht immer passen dicke, flache und höhere Scherbenstücke zueinander, selbst, wenn die Farben sich ergänzen. Aus zartem, cremefarbenem Porzellan eines Kaffeservices, kann ein Gesicht entstehen und mehrere kaputte schwarze Kacheln werden dann, in viele Einzelteile zerschlagen, zur riesigen Frisur dafür.

Bis das Portrait steht.

Inzwischen weiß ich, diese Arbeit ist nicht nur mühsam, nein, sie ist die reinste Therapie! Denn ich habe damit im letzten Drittel meines Lebens nun genau jenes Material gefunden, dass es mir auf eindringlichste Weise gestattet, nicht nur die gesellschaftlichen Brüche, sondern auch den eigenen fragilen Seelenzustand, widerzuspiegeln! Stück für Stück setze ich die kleinen Steinchen in unendlicher Geduld übereinander. Dabei lässt sich gut nachdenken über Gott und die Welt. Mich da reinzuknien benötigt Zeit und bedarf der totalen Hingabe.

Die Kritiker unterschätzen diesen Zeitfaktor gern, wenn sie auf den Preis schauen.

Die ersten gesetzten Solitäre entscheiden wohin die Reise geht, die sich dann monatelang hinziehen kann. Es ist mitunter zum Haareraufen; manche Teilchen wollen sich partout nicht miteinander arrangieren! Wie bei den Menschen im echten Leben auch! Demut ist die oberste Maxime, um zu solch einem scherbenen Kunstwerk gelangen zu können, das – ehe es nach der Endbehandlung wunderbar zu leuchten anfängt – erst einmal für lange Zeit ziemlich ‚scheiße‘ aussieht, wie der Fachmann sagt – aber trotzdem liebgehabt und umarmt werden will.

Mit der Mosaikzange bringe ich sie in Form. Ich verzichte aber auf Tricks, die eine schnelle Lösung erwarten lassen, denn „schnell“ ist nie eine gute Entscheidung! Weder klebe ich die Steinchen auf einen Untergrund, noch ist ein Netz aus Draht unten drunter, in welches sie komfortabel eingebettet werden. Das wäre ja dann auch keine Kunst! Ich setze sie Kante auf Kante. In diese Gefäße, die unter meinen Händen ganz langsam entstehen, fließen während der Arbeit alle meine Gedanken mit hinein, was Wochen, ja Monate dauern kann. Bis irgendwann der letzte Stein gesetzt ist! Ein wahrlich erhebender Moment … wenn das fertige „Gebäude“ steht.

Die in diesem Text vorhandenen Abbildungen zeigen Plastiken, die alle mit einer Ausnahme, dies Jahr entstanden sind. Dabei wechselte ich immer wieder von einer zur nächsten, um mich nicht allein an einer Sache festzufahren. Inzwischen ist es nicht mehr nur der Zufall, der vorgibt, was geschieht! Zusammen zu den bunten Wald- und Wiesenscherben gesellt sich manchmal irgendwelcher Nippes hinzu. Daraus werden dann Skulpturen, die den Zeitgeist einzufangen scheinen. Immer schräger und immer absurder werden sie, die alle etwas Kostbares an sich haben! Dabei ist rein gar nichts ‚kostbar‘ daran. Das wird es erst dadurch, dass der ganze Schnulli mit eingebunden und auf diese Art, zu Höherem befördert wird.

Was will die Künstlerin uns damit wohl sagen?

Ja was? … manchmal weiß ich das auch nicht! Es ist dann weniger eine direkte, als eher nur eine unserer Zeit geschuldete Aussage, die ich treffe. Ich möchte ja nicht immer nur um mich selber kreisen müssen. Nur zur Routine oder Marotte darf dieses Tun (unsere Zeit unbedingt abbilden zu wollen) nicht werden! Denn wenn man erst einmal damit anfängt, ein Gestaltungsprinzip daraus zu machen, zielstrebig suchend und sich danach richtend, das Besondere finden zu müssen, wird man nie wirklich frei sein können, sondern wird immer nur ein Gefangener seines Materials bleiben! Deshalb nehme ich zwar gern mit, was mir rein zufällig begegnet und freue mich darüber – ich forciere oder erwarte aber nichts. Ich bin in Dankbarkeit mit dem zufrieden was kommt, und bin mit dieser Herangehensweise noch nie aufs Glatteis geführt worden.

„Vogelfreundin“, 2022/23, Maren Grünemitten Simon, Terrakotta, CD, Nippes und Scherben aus dem Wald, Höhe ca. 75 cm

Wenn dann das Werk in ganzer Pracht (hergestellt aus Müll und Resten und dem, was andere wegwarfen) endlich vor mir steht, ist das als schaute ich in einen Spiegel … ich nehme mich sozusagen selbst in (und auf) den Arm und freue mich dann über mich selber – die reinste Psychologie! Denn auch ich bin ja alles andere als vollkommen! Keiner ist perfekt. Das Absurde und sämtliche Vorurteile Unterwandernde gefällt mir, oder auch Kontraste wie Schön und Hässlich, dazu dieses Spiel mit dem Unperfekten aber Liebenswerten, alles das macht mir – bei aller Nachdenklichkeit – auch sehr viel Spaß.

Denn mein Ego, das ist ja gar nicht so groß (und arrogant), wie angenommen.

Trotzdem stehe ich unter Beobachtung und damit unter Druck: Um aus meiner Komfortzone herausgelockt zu werden, denn das ist das Ziel. Gegen den (vermeintlichen) Dreck, mit dem man mich bewarf, so wurde ich belehrt, kann SEIFE helfen. Aber auch die Seife, die etwas auf sich hält, will nicht einfach nur so herumduften … sie will benutzt werden und nicht im Bad nur auf der faulen Seite liegen. Schäumen will sie – ordentlich schäumen! Weshalb auch saubere Seifen leider von mir mit Argwohn betrachtet werden müssen, sorry. Deshalb schäumen meine Seifenfreunde dann manchmal tatsächlich … und geben sich enttäuscht. Sie schäumen dann nicht zu ihrem Besten, sondern glitschen lediglich herum, das, jedoch aus anderen Gründen.

Zugegeben, so manche Extrabehandlung war und ist nicht schön. Das stimmt. Ich fühle mich unterdrückt, kann mein Können nicht zeigen, erhalte keine Chance. Ich weiß, das beschäftigt viele: Die fragen sich dann; wie kommt die Simon mit alldem Scheiß an ihrer Backe trotzdem über die Runden? Ich kann sie alle trösten, denn ich habe doch zum Ausgleich meine Arbeit! Stehauf-MÄNNCHEN nichts dagegen! Allein meine üppige Kreativität verhilft mir dazu, die Augen stets offen zu halten, um zu sehen was hinter Allem steckt.

UND – ich habe ja solche Sorgen nicht nur alleine! Im Zusammenhang mit der Abarbeitung meiner vielen Baustellen höre ich extra Musik, die zu meiner jeweiligen Lage passt. Die Auswahl kann daher sehr unterschiedlich sein. Wahrscheinlich vermutet das jetzt (.-) manch einer nicht, aber Rammsteins „Eifersucht“ höre ich derzeit besonders gern und amüsiere mich über den Humor in dieser ernsten Sache: Eine einzige virtuose Köstlichkeit! Ich muss schon sagen, wie dieser Zustand, indem sich eine Person befindet, wenn se hat, was die andere nicht hat – beschrieben wird, das ist … Hut ab! … wirklich sehr gut beobachtet …

… und passt in diese Zeit wie Arsch auf Eimer. Wobei es der Möglichkeiten erstaunlich viele gibt: „Bin ich schöner zerschneid mir das Gesicht / Bin ich stärker brich feige mein Genick / Bin ich klüger töte mich und iss mein Hirn … Bin ich ehrlicher beiß mir die Zunge ab / Bin ich reicher dann nimm mir alles / Bin ich mutiger töte mich und iss mein Herz … Es kocht die Eifersucht … Hab ich so glatte Haut zieh sie in Streifen ab / Hab ich die klaren Augen nimm mir das Licht/ Hab ich die reine Seele töte sie in Flammen … töte mich und iss mich ganz auf dann iss mich ganz auf – doch leck den Teller ab.“ 

Und bin ich die Erstgeborene, dann stoße mich von meinem Thron! Aber mach schnell und warte damit nicht zu lang …

Das vermeintliche Opfer einer solchen, mitunter regelrechten HASS-LIEBE, muss leiden: an sich und an der Welt. Denn, das ist ja auch total logisch, wer auf der einen Seite zu viel an Bonus (Talent) von Seiten der Natur mitbekam, klar, der muss mit Abstrichen leben, um nicht größenwahnsinnig zu werden! Weil nun einmal diese Tatsache, VORTREFFLICH zu sein, jeden sich selbst als ebenfalls wichtig einschätzenden Mitmenschen, automatisch provoziert! Die Balance wäre ja ansonsten total gestört und das darf nicht sein. Ich soll ein Einsehen haben, dass es mir gut gehen kann, aber es darf mir bitteschön nicht BESSER ergehen, als den anderen! Denn das wäre dann tatsächlich einfach zu viel verlangt.

So lag es dann irgendwann nahe, Abstand zu nehmen und nur noch einem sehr kleinen Kreis von Menschen zu vertrauen. Diesen Wenigen gewähre ich Einblick in mein Gefühlsleben, denn in ihrer Mitte darf ich mich sensibel geben, um sein zu können, wie ich bin.

Es begann ja sehr früh – selbst innerhalb meines direkten, familiären Umfeldes – unerträglich zu werden. Weil mir alles, aber auch ALLES zum Vorwurf gemacht wurde! Egal was, es war immer falsch. Andere, mir fremde Leute, galten als die besseren Begleiter. So FALSCH wie ich angeblich war (mich fühlen sollte) und das für sie noch immer bin und bleiben werde, kann ich dagegen nichts tun. Damals sagte ich mir, na dann ist das eben so! PUNKT. Diese Einstellung verhalf mir, um Loslassen zu können und mich von all dem Ballast, der mich unten hielt, aktiv zu befreien.

Da war es dann einfach, jene Nörgler und Missgünstlinge von dem Umstand zu erlösen, mich noch länger als nötig ertragen zu müssen. Fortan ging ich deshalb meinen Weg ohne sie. Allein.

Natürlich ist jede Form von Mobbing ärgerlich – aber die Künstlerin sagt trotzdem: Danke! Wessen Emotionen stets gut trainiert wurden (und werden), der/die bekommt automatisch einen Zugang zu den tieferen Schichten seiner Selbst, was eine gewisse Sensibilisierung nach sich ziehen muss und die Persönlichkeit formt. Ohne diese Qual zu durchleiden kommt kein (echter) Künstler aus. Verdrängung, also das, was die meisten Menschen mit ihren Gefühlen so gern tagein tagaus tun, ist da total kontraproduktiv, denn Emotionen, vor allem die negativen, müssen zuerst einmal erkannt worden sein, ehe man sich von ihnen wirksam befreien kann. Doch wer will das schon? Manche Zeitgenossen pflegen deshalb ihre negativen Gefühle regelrecht, nur zur Bestätigung dessen, dass dem tatsächlich so ist, wie sie vermuten.

Fazit: Das Schaffen von Kunst geht (bei mir) mit Schmerz einher, der also zuerst einmal erkannt und verarbeitet werden will, um schließlich ausgeräumt zu werden. Ich bin bei all dem distanziert (und mit Humor) bei der Sache. Das hilft mir enorm! Es soll Kollegen geben, die das nicht so sehen. Die machen schöne Sachen ohne schlechte Gefühle abzuarbeiten und verkaufen sich damit gut. Genauso, wie es auch solche Künstler gibt, die ihre, wie sie sagen, konservative Kunst, vor der Politik bewahrt wissen wollen, weil man sie, die Kunst, damit angeblich töten würde. (Quelle: MAZ v. 11.11. 2023 über Neo Rauch) Würde der Streetartkünstler Banksy so denken, dann fehlte uns doch aber was! Erinnert sei aktuell an seine Friedenstaube mit kugelsicherer Schussweste (!) auf deren Brust ein blutrotes Fadenkreuz prangt. Sich derart zu positionieren, das gefällt nicht jedem und ruft Kritiker auf den Plan. Da kann es nützlich sein, wenn – wie bei Banksy, die Identität eine große Unbekannte bleibt.

DAS BESTE ZUM SCHLUSS!

„Kleine Frau mit Nudel“, 10/2023, Maren Grünemitten Simon, Collage aus goldenen Teeservice- und anderen Scherben und Vögelchen, Höhe ca. 80 cm

Nebenstehende „Kleine Frau“ … die bin ich natürlich selber. Damit provoziere ich jetzt schon wieder, stehe aber dazu. Denn eigentlich, und wer mich kennt, der weiß das auch – ist die gülden-glänzende, opulente Tante, ja doch eher als eine harmlos-lustige zu begreifen. Ich hatte es zuvor weder auf witzig noch auf lustig oder sonst was angelegt, es ergab sich vielmehr von ganz allein – des Goldes wegen, das zu mir sprach. In dieser Übertreibung steckt nun das ganze Potential, das mein Dilemma so hervorragend zum Ausdruck bringt! Tutanchamun nichts dagegen! Am Hinterkopf prangt ein dicker Borstenpinsel mit Gebrauchsspuren daran, eine Anspielung darauf, dass ich nie offenen Haares anzutreffen bin, ich trage es hochgebunden. Immer.

Anmerkung (als Nachtrag) vom 7. Januar 2024: Wenn mich auch zum Jahreswechsel mein früherer Studienkollege Mahmoud Dabdoub (der damals Fotografie studierte) anhand eines von ihm gemachten Fotos – welches er mir freundlicher Weise schickte – daran erinnerte, dass das in der HGB, zu unserer gemeinsamen Zeit in Leipzig, anders gewesen war! Da trug ich mein Haar nämlich noch auf Kinnlänge, schaute dafür jedoch sehr viel ernster in die Kamera als heute. 

Mit zunehmendem Alter reicht es mir zu wissen, dass ich eine üppige Haarpracht habe. Besonders die kreativ tätigen Frauen, legen oft enorm viel Wert darauf, weil sie ihre Haare als ein Zeichen ihrer Macht ansehen und sie sich damit, von den Männern gut abgrenzen können. (Beispiel Ami Winehouse oder Tina Turner) Ich muss sie jedoch weder wasserfallartig hängen noch fliegen lassen, muss meine Haare auch nicht zu einem Turm hochtoupieren und schon gar nicht im Gesicht spüren. Das würde mich im Alltag nur stören. Da bin ich sehr eigen.

Und weil ich also sämtliche im Leben gemachte Erfahrungen, die guten und schönen, genauso wie die schlechten, effektiv hervorkitzeln, abrufen und ausdrücken kann, ließ sich mein – schon damals auf dem Höhepunkt seines Könnens befindliche Unterbewusstsein – nicht lumpen und machte mir (2019) dieses Geschenk in Form einer famosen Idee: Mutter Deutschland mit ihren zwei Kindern – dem Ossi und dem Wessi. Mit dem Aufbau dieser Plastik war ich in der Lage nicht nur die Übernahme des Ostens durch den Westen mit seinen Folgen zu verarbeiten, sondern gleichzeitig – meine eigene Familienhistorie zum Vorbild nehmend – alle meine Kümmernisse (über etliche Jahre der Entstehung hinweg), da hineinfließen zu lassen. Was konnte es also Geeigneteres dafür geben, als dieses famose Angebot mittels eines riesigen Haufens von allerlei verschiedenen Scherben, die ich in der Werkstatt bereits herumzuliegen hatte, in die Tat umzusetzen? Viele Fliegen, eine Klappe! Einschließlich der Tatsache, wenigstens daran anschließend und für eine klitzekleine Zeitlang, wieder eine ordentlichere Werkstatt (ohne den herumliegenden Müll), gehabt zu haben.

Die Debatte, inwiefern Ostdeutsche unterprivilegiert sind, weniger Geld verdienen und Anerkennung für sie mitunter – mehr als bei den Westdeutschen – noch immer ein Fremdwort zu seien scheint, war ja anlässlich der Einheitsfeierlichkeiten auch dieses Jahr wieder, ein dickes Thema in den Medien gewesen. Dirk Oschmann traf da zusätzlich mit seinem Buch „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung“ voll ins Schwarze, denn das ganze Jahr über interessierte es keinen, aber dann wollten plötzlich alle wieder mitreden. Ich weiß jedoch genau, nichts ändert sich! Das ist vergleichbar mit den vielen geführten Debatten ums Klima; für die meisten Leute mit gutem Auskommen gibt es keinen plausiblen Grund ihr Leben infrage zu stellen und daran etwas zu ändern! Deshalb werden sich auch im nächsten Jahr wieder, zu viele Ostler nach wie vor und noch immer, natürlich NICHT besser verstanden fühlen!

Deutschland befindet sich aufgrund seiner instabilen Basis in Schieflage und keineswegs in gesunder Balance.

Angeblich ist ja der allgemeine Frust der Ostdeutschen ein Grund dafür, wieso die AFD so stark werden konnte, ich aber sage – schuld ist immer die Mutter. Als Mutter kann man sich die Umstände naturgegeben manchmal nicht aussuchen; was ihr, der Mutter, bei der Bewertung der Schuldfrage als entlastend angerechnet werden muss. Das Tragische ist aber trotzdem, dass, wenn der Bogen erst einmal überspannt wurde, es kein Zurück geben kann. Egal wie die Umstände sich gestalteten, die zu dessen Bruch führten.

Und deshalb hat mein Mütterchen Deutschland auch kein Gesicht erhalten.

Mir war wichtig gewesen, es wegzulassen, denn ich brauchte eine Lösung, die es mir gestattete, sowohl Schön als auch Hässlich nicht bedienen zu müssen. Denn das, hätte vom Wesentlichen doch nur abgelenkt – ich wollte es also neutraler haben. Die Gesichtsform blieb deshalb als solche auch nur angedeutet, das heißt, das Oval ist innen hohl. Die Deutschen gelten in der Welt als unterkühlt, korrekt und distanziert, da bedarf es keiner großen Emotionen – nicht im Gesicht! Aber schaut man genauer, dann sieht man als Betrachter, dass ihre beiden Kinder, eines zu ihrer Linken, eines zu ihrer Rechten, beide an der mütterlichen Brust, sehr wohl ein Gesicht haben. Sehr unterschiedlich blicken sie in die Welt hinaus – leicht besorgt schaut das Ossi und etwas gelangweilter der Wessi. Denn dieser kennt sich mit allen Tricks und Kniffen bestens aus, die wir Ostdeutschen – auch nach den vielen Jahren der EINHEIT – noch immer nicht draufhaben.

Natürlich kann, darf und soll darüber gestritten werden!

Über die von mir Verwendung gefundenen Zitronen zum Beispiel. Es gab sie in der DDR nicht immer. Ich brauchte sie aber, um damit Saures transportieren zu können, was wir Ostler ja, statt der Süße im Leben, vermehrt zu verdauen hatten. Dennoch, auch Zitronen gehörten zeitweise (unter dem Ladentisch) zur sogenannten „Bückdichwahre“ – genau wie die Bananen. Und davon gab es natürlich auch im Westen nicht nur schöne fette, sondern ebenso auch weniger schöne, olle Exemplare. Was natürlich in geschichtsverklärender Absicht nur keiner gern zugeben will.

Waldscherben

Handwerkerabfall und Bauschutt, der vom Baugeschehen der Wendezeit berichtet, von Erneuerung und Aufschwung und von den Eingangs bereits erwähnten, „Blühenden Landschaften“, der kommt noch immer regelmäßig aus der großen Stadt und liegt dann vom örtlichen Erden-Platz-Team bestens aufbereitet, auf den ländlichen Waldwegen zu deren Befestigung, einfach so herum. Um dann dort von mir gefunden zu werden. Besonders der letzte, obere Teil meiner Plastik, der besteht aus solch kleineren Scherbenstückchen, die deutlich kleiner sind als die unten verbauten, großen. Zum Einsatz gelangten außerdem Goldrand- und andere perlmutterartige, feinere Scherbenstücke, die deshalb auch empfindlicher sind. Sie wurden nicht gebrannt, sondern miteinander verklebt.

Die Goldauflagen hätten die Temperaturen eines E-Ofen-Brandes nicht überstanden.

Stünde nun alles wie gedacht, solide übereinander, käme ich auf stolze 2,50 Meter, was rein technisch betrachtet, in meiner niedrigen Werkstatt leider nicht geht. Und auch die beiden Flügel muss ich mir dazu denken. Ich bin aber erfreut, dass ich zur Demonstration dessen – wie es aussehen sollte – ein Bild als Simulation (wenigstens halbwegs) mithilfe meines Computers hinbekommen habe.

Mit mir daneben, zum ungefähren Größenvergleich.

Und in diesem Zusammenhang stelle ich fest; ja, die große Tante abgeformt und in Bronze gegossen – das wäre schön, ich werde es aber wohl nicht mehr erleben. Meine kritische Haltung passt grad niemandem, denn ansonsten hätte ich die Knochencollage des IKARUS ja bereits auf gutem Wege. Obwohl die Lage drängt und obwohl es genug Stimmen gibt, die Druck machen, trotzdem aber nicht gehört werden, gibt es anscheinend niemanden, der mein Potential in dieser Angelegenheit erkennt. Und vor allem, zu Nutzen wüsste.

„Mütterchen Deutschland“, 2021/22/23, Maren Grünemitten Simon, Collage aus Tonfragmenten in Kombination mit groben und feinsten Scherben unter Verwendung von Deko-Früchten, Höhe gesamt: ca. 2.50 m

Ich bin nicht die richtige Frau dafür … denn es reicht nicht allein, etwas zu können oder zu wollen. Es reicht nicht Haltung zu zeigen und einen aufrechten Gang an den Tag zu legen. FRAU darf sich nicht nur auf die Sieben Zwerge oder ihre Heinzelmännchen verlassen, sie muss auch die entsprechenden Mittel – vor allem aber, die Verbindungen haben. Im Einzelnen zu entscheiden, wie es auszusehen hat, das ginge jedoch nur analog, während der Arbeit am sich entwickelnden, bronzenen Kunstobjekt im Austausch mit Menschen, die dazu befähigt sind.

Denn auch der Sitz der Flügel an beiden Seiten stellt eine besondere Herausforderung dar. Die exakten Stellen, wo sie später mal sitzen sollen, die gibt es am keramischen Original nämlich noch nicht, dafür benötigte ich ein Gerüst. Das ist aber auch zu blöd. Denn wenn die Macherin vergessen wird in ihre Zeit mit eingebunden zu werden und hinterher nicht mehr gefragt werden kann, müssen sich alle anderen (später) ihren Teil selber denken. Ob sie dazu in der Lage sein werden? Männer bekommen die Anerkennung für viel weniger einfach so. Von daher ergeben sich für sie, auch andere, viel bessere Konditionen! Mein Engagement in Sachen FliesenStückchen und scherbene Resteverwertung, geht aber trotzdem weiter.

Und ja, auch dieser Umstand passt zu mir: denn natürlich hätte ich auch all das familiär angefallene Porzellan in Form von Scherben, zu gern zu Kunst weiter verarbeitet. All dies zerschlagene Familien-Porzellan ist aber (mit einiger Wahrscheinlichkeit) beim Entrümpeln weggeworfen worden, ohne, dass jemand sich dafür interessierte. Woher soll das Interesse der weißen Schafe für so etwas Unnützes aber auch kommen? Wer stets ohne Sorge oberhalb schwamm, der geht eher mutig aufs Eis, als dass er sich mit Dingen seiner Vergangenheit intensiver als unbedingt nötig, auseinander setzen würde. Und es musste ja auch alles sehr schnell vonstattengehen: Mutters Ableben, ihre Beerdigung und die Räumung der Wohnung – all das erledigte sich, wie in einem schlechten Krimi – innerhalb von nur drei Wochen – man könnte meinen, das war extra so geplant worden, nur, um meinen Ärger zu provozieren. Denn ich war zu dieser Zeit auswärtig unterwegs … und dort erreichen wollte man mich offensichtlich nicht.

Schönstes Porzellan zum Zerschmeißen gibt es aber auch von anderswo!

Und deshalb ist es mir natürlich immer wieder möglich, mich meines finalen großen Themas, trotzdem anzunehmen, um mein erlittenes Trauma vollumfänglich abarbeiten zu können, indem ich mir einfach meine eigene „Familie“ neu und so wie mir das gefällt, zusammenbastele! Dass ich mich so derart unverstanden fühle, ja, wahrscheinlich tatsächlich traumatisiert bin, daran ist (nicht nur) die Wende schuld, die aus einstigen gelebten, ostdeutschen Biographien, nur noch „Vorgänge“ machte, die, weil vom Westen für weniger wert befunden, sich zwischen zwei Aktendeckel klemmen ließen.

Was mein Vater, der sich nicht anpassen wollte – nicht überlebte.

„Teatime“, 2019, Maren Grünemitten Simon, Ton frei aufgebaut unter Verwendung von Scherben, darunter eine Tasse meiner Schwester, H: 75 cm

Mit seinem Tode 1992 begann, wenn ich das so sagen darf, mein privates Martyrium. Er stand auf der Seite seiner Erstgeborenen, denn die Kunst verband uns – und da kamen alle anderen offensichtlich nicht ganz mit. Ich kann das alles bis heute nicht nachvollziehen, Fakt ist aber; dass unsere Familie (wegen des Vaters Liebe zu seiner Tochter und zur Kunst) total auseinander fiel, denn ihm wurde unterstellt, alle anderen deshalb weniger lieb gehabt zu haben – weil sie mit Kunst nichts anzufangen wussten.

FAMILIE ist eben eine Dynastie für sich. Als die Mitte, die uns der Vater gewesen war, weggebrochen ist; ein Verlust, den unsere Mutter in ihrer Trauer NICHT zu ersetzen vermochte – veränderte das alles. 

Ich blieb in meinem Schmerz weiterhin unverstanden.

Aber ich erinnere mich zum Beispiel noch gern daran, dass in Caputh, in der Familie meines Mannes, zwar weniger die Kunst, dafür aber immer gern TORTE im Mittelpunkt stand. Am Wochenende wurde sie (oder auch Blechkuchen, also Kuchen, der auf einem Blech gebacken wurde), regelmäßig im Kreise hübscher SAMMELTASSEN kredenzt. Jeder hatte seine eigene Tasse, immer dieselbe. Vielleicht ist das ja auch heute noch so, ich weiß es nicht. Jedenfalls musste ich daran – Ironie des Schicksals – angesichts dessen, ebenfalls bis vor kurzem noch – gleich fünfundzwanzig solcher Tassen, samt ihrer Untertassen und Kuchenteller – in der Werkstatt zu stehen gehabt zu haben, (leicht schmunzelnd) denken. Denn eigentlich wollte ich diese Relikte des gut-bürgerlichen Lebens, einer (meiner Meinung nach) ehemals dekadenten und leicht spießigen Kultur, alle verbauen und ja, eigentlich viel zu schade, also wirklich. Diese ursprünglich von anderen, ehemals sicherlich sehr glücklichen und kulturvollen Familien ausrangierten Exemplare, die ich da ergattert hatte, die durfte ich doch nicht einfach so zerdeppern? Deshalb bekommt unser Sohn davon nun auch welche geschenkt: Sammeltassen. Er wählte aus den vielen, Dreie für sich aus, aber ich entschied: „Sechse mein Lieber! … müssen es schon sein!“

Denn mit den Jahren verändert man sich – wird entweder zänkisch oder gemütlich!

Und Carsten tendiert zu Letzterem. Er bekommt außerdem noch meine schönste (rundliche) Kaffeekanne (ein tolles Teil) passend dazu! Das Highlight ist der Deckel mit seinem dicken, murmelig-goldenen Knauf! Eine Zuckerdose ist ebenfalls noch zu haben, auch sie ist ausgesprochen einmalig und dekorativ. Ach, und erst das niedliche Sahnekännchen! … oder gebe ich ihm lieber das andere, das, wo ein Stück am oberen Rand fehlt, was ich mit passender Fremdscherbe ersetzt habe? So etwas hat wirklich nicht jeder! Das Kännchen mit Makel, dank meiner Hand ist es jetzt ein Unikat! Es kann sogar passieren – davon gehe ich aus – dass es bei Sotheby’s für 1,3. Millionen britische Pfund, einst veranschlagt wird! … wer kann das schon so genau sagen? Das musste sich auch der Graffitikünstler Banksy gedacht haben, als dessen „Girl with Ballon“ für 1.2 Millionen Euro während einer Londoner Auktion im Jahre 2021 versteigert wurde, und er sein Werk – auf Knopfdruck per eingebautem Schredder im Rahmen – einfach von diesem, zerschnippseln ließ ;-).

Das Porzellan, es spricht von der guten alten Zeit, als diese noch in Ordnung war. Wir lernen daraus, dass es nicht viel braucht, um glücklich zu sein! Setzen wir uns also an eine festlich gedeckte Tafel mit den einstigen Lieblingstassen anderer, fremder Leute und begnügen uns mit diesen, in meinen Schoß gefallenen Kostbarkeiten. Nicht alle haben es warm und gemütlich in diesen Tagen, den besinnlichen, vor Weihnachten. Jeder kann seinen Teil dazu beitragen, dass es gerechter zugeht in der Welt!

Ein Hoch auf die gute alte Zeit! … sie kommt (so schnell) nicht wieder … aber auch sie hatte ihre Tücken.

Maren Simon am 6. Dezember 2023

 

Meine ILSE-TASCHE – für alle Lebenslagen (und auch Eierkartons) bestens geeignet …

EIN NACHRUF

Am 17. August diesen Jahres verstarb meine liebe Nachbarin Ilse Koppe, geborene Wels, mit 98 Jahren. Diese Tasche (und auch das Geschirr darin) gehörten ihr. Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können (Jean Paul) – So, die Worte zu Ilses letztem Geleit, die auch mir Trost spenden.

Die Blüte, zu sehen auf dem Bild rechts, ziert zur Zeit meinen Ableger, den ich mir vom Hibiskus meiner Mutter, einst selbst gezogen hatte. Er ist inzwischen zu einem kleinen Bäumchen herangewachsen. Dieses blüht bereits seit Sommernde eifrig und tat das auch, als ich von ihrem Tod erfuhr. Mein kleiner Hibiskus tröstete mich mit einer wunderschönen Blüte, obwohl meine Mutter immer betonte, ZWEI Kinder zu haben. Aber meine Wurzeln sind mir ja im Laufe der Zeit, besonders von Seiten der Frauen (nicht nur denen meiner Familie), rüde gekappt worden. Dies, damit ich ein Bonsaibäumchen hätte bleiben sollen!? Umso größer die Freude, die ILSE-Tasche von Margitta und Editha, Ilses beiden Töchtern, vermacht bekommen zu haben! Als junge Gärtnerin hatte ich es leider versäumt, mir solch uriges Utensil von der Bäuerlichen-Handels-Genossenschaft (BHG) selbst zuzulegen. Oma Ilse, wie auch meine damaligen Gärtner-Kolleginnen aus Caputh – sie gingen nie ohne, wenn sie das Haus verließen. 

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