In der WG unseres Sohnes hingen damals Postkarten an der Pinnwand, die mir bis heute in Erinnerung geblieben sind: WENN DIE WELT EINE BANK WÄRE, HÄTTET IHR SIE LÄNGST GERETTET! … stand auf der einen und auf einer anderen: SOLLTE_HÄTTE_KÖNNTE_WÜRDE_MACHEN! Und auch das Plakat „HURRA WIR LEBEN“ von Klaus Staeck von 1984 (siehe Bild weiter unten), trifft voll ins Schwarze! Dessen gerahmte Kleinversion (ebenfalls in Form einer Postkarte) begleitete ihn überallhin, wohin es ihn auch verschlug. Das Glas des Rahmens muss bei diesen vielen stattgefundenen Umzügen einen Sprung erlitten haben, er untermauert die Aussage jedoch entsprechend und passt!
Heute, am 5. Juni, wird der „Tag der Umwelt“ gefeiert. Es gibt derart Vieles, dessen gedacht wird, da kann man nur staunen. Ich begann diesen Text zu schreiben, als wir den „Tag des Glücks“ am 20. März begingen. Es sollte mal ein etwas freundlicherer Blog werden. Was nun alles in der Zeit dazwischen für nennenswerte Tage zu verzeichnen gewesen waren, kann aber jeder selbst per Google erforschen, wer Lust dazu hat. Anzumerken ist lediglich, dass es der Umwelt trotz Feiertag, nicht sonderlich gut geht, was aber hinreichend bekannt ist. Und gefeiert wird, auch das wissen wir, zu oft und allein um des Feierns Willen. Spaß haben, das ist immens wichtig, auch und besonders, wenn es eigentlich rein gar nichts zu feiern gibt. Aber manch andere verhalten sich anders, weil sie nachdenklicher sind.
Sie dürfen keinerlei Verständnis erwarten. Nach wie vor scheiden die Aktivisten der „Letzten Generation“ die Geister, auch, wenn ihnen die Umwelt sehr am Herzen liegt. Noch zu vielen Mitmenschen scheint sie egal zu sein. Die Aktivisten sind die Bauernopfer der Nation, möchte ich sagen, denn „Demokraten überzeugen mit Argumenten, Fanatiker brauchen Straftaten“. Das sagt jedenfalls CDU-Parteichef Jan Redmann zu den rebellischen Klimaaktivitäten der Grünbewegten. Er vergisst hier, dass sämtliche Versuche der Kommunikation, bisher Seitens der Politik zum Scheitern verurteilt gewesen sind. Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch an den Besuch einer Delegation von Klimaaktivisten bei Herrn Wissing, dem Verkehrsminister, (CDU) in dessen Büro.
Ein Treffen, das leider ohne ein konkretes Ergebnis blieb. Wissing selbst brachte zum Ausdruck, sich nicht umstimmen lassen zu wollen.
Das empfinde ich als reinstes Kräftemessen. Warum, so frage ich, wird aber einer wie er Politiker, wenn es ihm an Verständnis und Einfühlungsvermögen mangelt? Weil offensichtlich nicht das gegenseitige Entgegenkommen und der Dialog wichtig sind, sondern die Ausübung und der Erhalt von Macht und zwar von oben nach unten. Mir schwant, dass Volksnähe nur zu Täuschungsszwecken in Talk-Shows vorgegaukelt wird, wissend, dass sich nur ein Bruchteil der Bevölkerung ernsthaft für Politik interessiert. Wenn alle Mächtigen dieser alten Welt sich einig sind, dann bedarf es der Stimme des Volkes nicht mehr – oder etwa doch? Ich behaupte, die vielen Mitläufer und die Bequemen, sie sind Teil des Problems.
Beim Sender „Radio 1“ („Die Weber“) hörte ich wie sich verschiedenste Menschen zu diesem Thema äußerten und wie sie zu „Straftaten“, „Nötigung“ und „Spontanhandlungen“ der Letzten Generation stünden, die auf eine „schiefe Ebene führten“, wie Herr Redmann kritisiert. Dabei ist mir aufgefallen, dass es erfreulicher Weise eher mehr Sympathisanten als Kritiker an den jungen Leuten zu geben scheint. Nur hört die keiner. Wenn Burkard Dregger (CDU) behauptet, dass „Klimakleber Demokratie-Defizite“ hätten, weil sie „ohne Rücksicht auf andere Leute agieren“ dann muss ich schon ein bissel lachen, dass ausgerechnet ein Mann von der CDU, das Wort „Rücksicht“ so ungeniert in den Mund nimmt, wo doch gerade diese Partei im Einklang mit SPD und Olaf Scholz (wie man meinen könnte) und gemeinsam mit der FDP, ihre Rücksichtslosigkeit (gegen die Jungen der nächsten Generation) auslebt.
Es geht ja nicht darum, „andere Leute“ mit Absicht zu schädigen.
Natürlich bin auch ich der Ansicht, dass diese Art des Eingriffs in den Verkehr, sämtliche Menschen in ihren Autos in ‚Geiselhaft‘ zu nehmen, nicht die beste aller Varianten darstellt, um auf sich aufmerksam zu machen. Doch darf nicht vergessen werden, ein direkter Schaden entsteht nicht! Auch nicht durch Kartoffelbreiwurfattacken. Es ist vielmehr eine kollektiv-aufbrausende, negative Gefühligkeit innerhalb der Bevölkerung spürbar, die diese Aktionen mit mehr oder weniger Häme begleitet. Und es darf natürlich auch nicht vergessen werden, wer der eigentliche Adressat dieser getätigten „Strafaktionen“ ist. Das ist nämlich schlicht und ergreifend die nicht dialogbereite Bundesregierung! Aber an diese traut sich Otto Normalo natürlich nicht heran, deshalb lässt sich diese Gesellschaft auch so einfach spalten. Leider gelingt es noch zu wenigen, diese Ungerechtigkeit, die dahinter steckt, wenn die Jugend (durch politisches Desinteresse) zu sogenannten „Straftätern“ erst gemacht wird, tatsächlich zu durchschauen.
Manche sagen, die „Kleber“ sollen sich doch „vor den Villen der Reichen“ festkleben … ja natürlich, und wenn sie das dann tun, dann werden wieder andere Gegenargumente eröffnet, wieso das „Sozialneid“ oder „Nötigung“ ist und also wieder nur Straftaten darstellt. Eine Juristin meinte ernsthaft, die jungen Leute sollten „Sinnvolleres“ als Straßen zu blockieren, tun: „Bäume pflanzen“ zum Beispiel oder „Moore renaturieren“. Der Ideen und Ratschläge für die jugendlichen Aktivisten gibt es viele, nur selbst aktiv werden wollte von diesen Besserwissern natürlich keiner. Achtlos gehen diese Menschen an verdurstendem Grün vorüber und nehmen es hin, dass dem so ist. Sie wollen wider besseres Wissen, nicht zugeben, dass die Natur leidet, haben nur die eigenen Interessen im Sinn.
Durch dieses unorganisierte Durcheinander der Befindlichkeiten, wo eindeutig zu viele gleich wichtige Köche am Werke sind, geht wertvolle Zeit verloren und es wird Kräften in die Hände gespielt, die das für sich auszunutzen wissen – was mir Sorge bereitet.
Und diese „Spaltung der Gesellschaft“ durchzieht auch meinem Bekanntenkreis. Jetzt brach der Dialog mit einem unserer ehemaligen Studienfreunde bis auf Weiteres ab, nachdem auch ich meine Meinung zum Sachverhalt kundtat, um darauf aufmerksam zu machen, dass diese Spaltung auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens gleichermaßen stattfindet – und zwar aus dem einen Grunde, weil nicht nachgegeben werden darf und Interessen gewahrt und Machtverhältnisse weiterhin aufrecht erhalten werden müssen! Dafür werden Probleme auch schon mal falsch dargestellt oder die Hälfte der Wahrheit wird einfach weggelassen und nur das erzählt, was dem jeweiligen Sachverhalt dienlich erscheint. Mit dieser Methode, wird den Grünen gerade übelst mitgespielt, um deren Einfluss bewusst minimal zu halten. Am „Tag der Umwelt“ waren sie deshalb auch die einzige Partei, die wahrscheinlich nichts zu feiern und auch nichts zu lachen gehabt hatte.
Ich könnte wieder einen ganzen langen, politisch gefärbten Beitrag darüber schreiben. Meine Website, auf der dieser Blog seinen Platz hat, ist ja aber der Spiegel dessen, was ich beruflich mache. Zwar kommen bei mir stets Berufliches, Privates und politisches Engagement zusammen, doch sollte ich im Sinne derer, die sich gezielt über meine Arbeit informieren wollen, vor allem konkrete Informationen zu Kunst&Werk liefern und dies in meinen Texten zu Vorderst berücksichtigen. Deshalb schreibe ich hier und heute nur am Rande zu den brisanten Themen der letzten Wochen und Tage, was mich jedoch nicht daran hindert, es wieder ein wenig zu übertreiben. Meine Lebensweise und mein Tun werden natürlich unmittelbar von den aktuellen Meldungen beeinflusst! Die Aktionen der Aktivisten verändern das Denken bei vielen Menschen. So wie ich bei Radio 1 erfahre, machen auch andere diese Feststellung und stellen ihr Verhalten in Frage. Sie sind achtsamer geworden! Insofern ist den Klimaaktivisten das, was sie in Kauf nehmen, wenn sie protestieren um ihre Ideale durchzusetzen, nicht hoch genug anzurechnen.
Ich nahm mir bewusst eine längere Auszeit, denn auch ich hatte mich weit vorgewagt mit meinem IKARUS und hätte ihn dort gern vorstellen wollen, wo ich dachte, dass er hier auf jeden Fall in seiner Aussage verstanden würde. Dabei war mir schon von vornherein klar, dass ich alleine und ohne den notwendigen Schulterschluss anderer Menschen, wenig erreichen werde. Leider blieb er aus, u. a. wegen Eigeninteresses, das, obwohl ich glaubte, genau an der richtigen Stelle angekommen zu sein, dann doch wichtiger war. Der angekündigte Besuch in der Werkstatt fand nicht statt und fiel aus. Mein Gegenüber fühlte sich anscheinend unter Druck gesetzt, denn ich wollte „Nägel mit Köpfen“ machen, wie man so salopp sagt. Ich halte die Lage für dringlich! Während einem Manne Beharrlichkeit als positive Eigenschaft angerechnet wird, weil sie von Durchsetzungsfreude spricht, haben Frauen immer noch damit zu kämpfen in ihrer Ernsthaftigkeit, nicht ernst genommen zu werden. So dringlich scheint das mit der drohenden Erderhitzung und dem Klimaschutz dann also doch nicht zu sein! Selbst für jene nicht, die sich damit auskennen sollten und davon reden, dass die Künstlerschaft zu wenig täte und zu unpolitisch wär …
Doch Kunst ist und bleibt zuerst einmal Geschmackssache!
Es ist daher durchaus möglich, dass mein schroffes Werk einfach nicht gefallen hat. Man wollte mir das aber so direkt nicht sagen … und wünschte mir deshalb für meine weitere Zukunft alles Gute. Es kann jedoch auch sein, dass mir passierte, was allen Menschen widerfährt, die ihrer Zeit voraus sind und welche den wunden Punkt berühren, den niemand berührt wissen will! Weil die Hoffnung immer noch ein Stückweit größer ist, als der (vermeintliche) Pessimismus, der aus meiner Arbeit spricht.
Aber darum, Pessimismus zu verbreiten, geht es mir mit meiner Kunst nicht! Auch die Hoffnung in Gänze auszubremsen, ist mein Anliegen nicht! Im Gegenteil. Ich will das Risiko ausgesprochen haben, das wir eingehen, wenn wir uns so ungeniert verhalten, wie bisher. Natürlich brauchen wir Energie in welcher Form auch immer, um unsere Behausungen bei Kälte zu wärmen. Wir werden sie auch benötigen, um gewisse Etablissements extra zu klimatisieren, Altenheime beispielsweise. Aber die Übertreibung, was Heizen und Kühlen und alles andere, dass uns in Luxus leben lässt betrifft, den wir mit Selbstverständlichkeit genießen, ließen uns mit Aufkommen der Industrialisierung, gehörig über das Ziel – es uns hierbei nur recht behaglich zu machen ohne an andere dabei zu denken – hinausschießen!
Die dunkle Anhäufung von Knochen und allerhand anderen, weniger definierbaren Scheußlichkeiten, einschließlich des aus diesem Ensemble herausschauenden Totenkopfes des gestürzten, namengebenden Protagonisten IKARUS, sieht keiner gern an. Damit treffe ich anscheinend genau ins Schwarze, weil ich die Probleme der „Zeitenwende“, wie Olaf Scholz diese Phase nennt, benenne. Probleme, des sich nicht entscheiden Könnens! … oder besser formuliert, des nicht Wollens! So sehe ich es jedenfalls und kann nicht begreifen, wieso wir uns der Erkundung des ausgedörrten Mars zuwenden, für die Rettung unserer blauen Erdkugel aber andauernd nur Ausreden parat haben. Der unwirtliche Wüstenplanet ist das beste Beispiel an dem abzulesen ist, was aus unserer Erde werden wird, wenn wir so gedankenlos weitermachen wie bisher. Die Zeit drängt! Was wir jetzt noch tun können ist, die Gefahren soweit einzudämmen, sodass künftige Generationen, halbwegs damit leben werden können. Gänzlich zurückdrehen – indem wir die Resett-Taste betätigen – lässt sich diese Entwicklung in Richtung Erdüberhitzung, aber nicht mehr. Die einmal in Gang gesetzten Vorgänge sind inzwischen zu Selbstläufern geworden; schmelzende Polkappen, auftauender Permafrost, steigende Meere …
Immer wieder beschäftigt mich darum die Frage, wie wir wurden was wir heute sind.
Und weil mich diese einzigartige Geschichte der Menschwerdung so sehr interessiert, ist meine Sammlung steinzeitlicher Gerätschaften, die zur Weiterentwicklung unserer Spezies beigetragen haben, wieder ein Stückchen gewachsen. Ich finde solche Steine inzwischen beinahe überall, sogar und besonders oft, kleinere Exemplare auf geschotterten Wegen. Auch hier, wo ich zu Hause bin, liegen welche, dann auf Waldwegen und nah an Gewässern herum. Vorn abgeflachte, glatte „Spatel“, die mich in ihrer Form ein wenig an „Gitarrenplättchen“ erinnern, die die Musiker benutzen, um den Saiten ihrer Instrumente ihre melodischen Klänge zu entlocken.
Diese Sammlung, die kaum noch als „Hobby“ bezeichnet werden kann, soll zu gegebener Zeit an ihren Ursprungsort zurück gelangen, möglichst, bevor ich ins Gras beißen muss. Der faszinierende Werdegang des Menschen und sein schlussendlich, wahrscheinlicher Fall, beinhalten sowohl Faszination als auch Tragik, das empfinde ich als berührend und bedrückend zugleich. Dann fange ich an zu philosophieren über das, was kommt oder eben nicht mehr kommt, schaue auf diese behauenen Steine und staune. Angesichts der Dramatik um Kultur und Wandel, Veränderung des Klimas und zunehmender, vom Menschen angetriebener Erderwärmung, werde ich zwangsläufig melancholisch, denn mir geht all das sehr nah und dabei tief unter die Haut.
Die Melancholie aber ist der beste Zustand überhaupt, um sich Projekten widmen zu können, die frei von seichter Harmonie und Gefälligkeit bleiben müssen. Diese drängenden Themen unserer Zeit, sie forcieren mein Interesse regelrecht und deshalb schreibe ich auch darüber und widme mich der Frage, wie wir mit den Herausforderungen umzugehen haben, denn es scheint schwerer als gedacht. Im Gespräch mit den Menschen erfahre ich mitunter auf schmerzliche Art und Weise, wie wenig verstanden wird und wo die Urängste gegenüber allem Natürlichen, ihren eigentlichen Ursprung haben. Dazu gehören tägliche Routine im Alltag und fehlende Achtsamkeit, nicht nur Pflanzen und Tieren, sondern auch anderen Menschen gegenüber. Zunehmende, allseits ausgelebte Individualität, die sich in gesteigertem Egoismus ausdrückt, erzeugt kühl-sachlich betonte Menschen, ohne jedes Einfühlungsvermögen.
Es sollte daher, um dem entgegen zu wirken, viel mehr Geld in eine spezielle Bildung der Jugend fließen!
Unterricht beispielsweise, der Liebe zu ihr fördern hilft, denn was man liebt, das zerstört man nicht! Ebenso das Fach Müßiggang! … sehr wichtig. Einfach inmitten der Natur sitzen und lauschen! … wir machen das in unserem Garten zwischendurch tagtäglich. So erleben wir die Jahreszeiten hautnah, gerade werden die jungen Meisen angelernt, sich ihr Futter selbst zu beschaffen, deshalb laden die Alten sie bei uns am Gartentisch ab. Derart einbezogen von den Meiseneltern, können wir gar nicht anders, als nett zu ihren Kinderchen zu sein!
Den Ort, wo ich meine Sammlung von Flintsteinen mit weniger oder mehr Arbeitsspuren daran, einst anbieten möchte, der scheint mir gefunden. Das von mir favorisierte Museum weiß allerdings noch nichts von meinen Absichten. Zuerst werde ich die ‚Stifterfiguren‘ aufbauen, welche sozusagen, als Überbringer dienen. Es ist ja für mich nun sowieso allmählich zu einem Thema geworden, die Zukunft meiner vielen von mir hergestellten Protagonisten, bedenken zu müssen. Auch des Künstlers Zeit ist endlich! Und im Berliner und Potsdamer Raum, da, wo ich meinen eigentlichen Lebensmittelpunkt habe, interessiert das keinen, hat noch nie jemanden interessiert – ganz im Gegenteil.
Dieser Umstand ist jedoch nicht allein meiner Unwilligkeit geschuldet, sondern hat mit der Entwicklung (sprich meiner Biographie) zu tun, an der zu viele Leute beteiligt – beziehungsweise, eben gerade nicht beteiligt gewesen sind. Je nachdem von welcher Seite geschaut wird. Der nie ganz rund geschliffene, immer etwas eckig gebliebene, steinerne ‚Brocken‘, der ich wohl bin, machte es den Funktionären schwer, sich von ihnen entsprechend eingliedern und vermarkten zu lassen. Manche Steine sind härter, andere weicherer Natur und manche scheinen vom Charakter her, zwar weich zu sein, bleiben aber in gewissen Situationen, dann dennoch äußerst hart und widersetzen sich jeglicher Verwertbarkeit. Das sind die Schlimmsten von allen! Man lässt sie einfach links liegen, bis sie (aus Frust sich derart benachteiligt zu fühlen), von allein angerollt kommen – soweit die Theorie. Aber ich sehe das anders. Druck macht mich immer nur misstrauisch und fühlt sich für mich nie gut an! Und anstatt an mir introvertiertem Exemplar, das reinste Machtexempel zu statuieren und mich schroff abzubürsten, hätten sie mich auch einfach ermutigen können, meinen Weg zu gehen. Warum dies nicht geschah und ausblieb und ich – im Gegenteil, noch zusätzliche Steine in diesen gelegt bekam, interessiert mich jetzt nicht mehr. Es ist nicht mein Problem.
Darüber müssen sich jene Gedanken machen, die eventuell nachher leer ausgehen.
Es tut gut und ist mir wichtig, manches in diesem Zusammenhang aufzuschreiben, ehe es später womöglich verklärt wird. So bleibt zumindest ein Stück von der Wahrheit, die meine ist, für die Nachwelt erhalten. Deshalb informiere ich vorsorglich auch darüber, meine Ohren unbedingt behalten zu wollen. Besonders die Läppchen bekamen doch des Öfteren schon, unerwartete Komplimente! Beispielsweise solches, dass man an ihnen eben gerade nicht das Alter ablesen könne, so wie bei anderen älteren Damen möglich, bei denen sie immer länger werden und dann hängen oder gar Falten schlagen. Aber, die Frage sei erlaubt, ist das denn wirklich wichtig? Mit echtem Interesse wird nur bedacht, wer Bedingungen stellt, egal wie die Ohren gestaltet sind. Und genau das, war anscheinend auch Vincent van Goghs Problem, nämlich als Menschenfreund, der er war, keine gestellt zu haben.
Bedingungsloses Handeln als Garant für Erfolglosigkeit?
Es wird immer fehl interpretiert! Und so bleibt mir nur übrig, konsequent zu bleiben, denn auch dadurch kann die nötige Spannung in einen Lebenslauf hineingelangen. Wer (besonders als Frau) den schnelleren Weg wählt (über Förderer und Gönner, Ehemänner oder Väter und Liebhaber), der/die wird natürlich einen Vorteil haben. Solcherart gestaltete „Entwicklungshilfe“ ergab sich allein deshalb für mich nicht, weil ich die entsprechenden Angebote immer ausgeschlagen habe, um mich nicht erpressen zu lassen! Als machbar hätte sich solch ein Werdegang auch für mich gestalten können, hätte ich es so haben wollen. Sich nichts vorwerfen zu müssen und von sich behaupten zu können, als streitbare Person unabhängig geblieben zu sein, mag in meinem Leben letztendlich den Ausschlag dafür gegeben haben, (bisher) nie anerkannt worden zu sein … und das wird sich auch nicht ändern, solange ich existiere! … ist aber der für mich einzig mögliche Weg.
Wenn ich bedenke, dass es Leute gibt, die ihre Memoiren mit zarten 35 Lenzen bereits notieren müssen, weil sie so viel erlebt haben und gut im Futter stehen, dann kommen mir mit meinen zwei Dritteln Lebenszeit, ohne all das, doch fast die Tränen!
Und gerade deshalb möchte ich mit meinem reichen Erfahrungsschatz und den vielen, über die Jahre vervollkommneten Fähigkeiten, über die deshalb nur die Alten verfügen, auch in diesem letzten Drittel wenigstens noch so viel schaffen, wie machbar ist. Das Werk bleibt in der Welt, da kann keiner dran rütteln und wenn nur noch die Arbeit spricht, bedarf es der schönen Worte (und vor allem der Vermittlung) für die abgestrafte Person dahinter, sowieso nicht mehr! Ich habe also keine Zeit zu verlieren und demzufolge, habe ich auch Besseres zu tun, als mich immer wieder nur verarschen zu lassen!
Und dann ist da natürlich auch noch mein Garten, der mich fordert und im Hause tu ich deshalb an manchen Tagen wenig und lasse die Krümel auf den Fliesen unbeachtet liegen. Der große Esstisch ist immer vollgestellt. Bücher und Notizzettel befinden sich ganz selbstverständlich auf ihm neben allerlei Steinen und Plastiken, die ich besonders gerne um mich hab. Zum Abendbrot rücken wir diese und auch die kleine Vase mit Unkraut oder anderen Blümchen darin, vorsichtig beiseite, damit wir gemeinsam essen und uns dabei in die Augen sehen können. Um in Arbeit befindliche größere Tonplastiken, die auf dem Boden stehen, muss drumherum gelaufen werden. Und das mitunter nicht nur tage – sondern wochenlang. Man gewöhnt sich daran und sollte Besuch kommen, dann muss auch der damit leben.
Picasso löste das Platzproblem, indem er einfach umgezogen ist, um das nächste Haus mit seiner Kunst zu füllen, er verschliss auf diese Weise gleich mehrere. Diese Möglichkeit fehlt mir leider und deshalb müssen alle, die mit mir gemeinsam im Hause Simon wohnen, es ebenso aushalten wie ich, nämlich wie in einem vollgestellten Museum zu leben. Unsere Hündin, die es nicht anders kennt, rollt sich ein und legt sich manchmal zu den am Boden stehenden Kunstwerken, einfach dazu.
Wenn es zu viele werden, fahre ich sie mit dem „Esel“, meinem Sammeltransporter, in mein Lager.
Meine Wege sind nun also deutlich kürzer geworden und ich bin selten unter Leuten meines Fachs, es sei denn, ich kann mehreres miteinander verbinden. Eine Ausstellungseröffnung in Leipzig zum Beispiel, ließ sich verknüpfen mit dem Besuch unseres Sohnes. Ich möchte, dass er meine Wurzeln kennt, weil er später mit ihnen Umgang haben und sie am Leben erhalten wird. Also trafen wir uns vor der HGB. Alles, was ich selber in meiner Jugend an Aufbauhilfe erfuhr, kann ich nur als armselig bezeichnen, dies u. a. auch deswegen, weil der Ruf dieser Leipziger Schule, der an mir haftete wie Zuckerguss, süß und anziehend wirkte. Was sich eine Zeitlang wie freundliche Anteilnahme anfühlte, war leider allein dem Kalkül geschuldet, denn Künstler machen es genau wie alle anderen auch, beziehungsweise sogar noch viel besser; man nutzt seine Möglichkeiten, indem eine Hand die andere wäscht! Mein ganzes, bisheriges Berufsleben lang bin ich daher damit konfrontiert worden, allein nach Punkten der Verwertbarkeit beurteilt zu werden. Was schade ist. Darum auch musste ich alle enttäuschen.
Ich kam an die HGB gänzlich ohne Verbindungen zu haben und ich verließ sie auch ohne wieder.
Es passiert den begabten Frauen öfter! … sie müssen deutlich länger um Anerkennung ringen, weil sie verletzlicher als die Männer sind und mehr zu verlieren haben … nur, um dann womöglich, vorzeitig aufzugeben. Auch Maria Lassnig, deren Ausstellung ich in der Galerie der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) besuchen wollte, erging das nicht viel anders. Sie verarbeitete ihre Gefühlswelt mithilfe der Kunst, malte sich selbst unbekleidet und drastisch. Diese ausgesprochen schonungslose Sicht beeindruckte mich schon früher, da sah ich ihre Werke erstmals in München. Deshalb war ich jetzt nach Leipzig gekommen! Die Ausstellung trug den verheißungsvollen Titel: „Über die Präzision der Gefühle“ und befasste sich mit Lassnigs graphischem Werk. Aber ohne jede Farbe fehlte mir was! Die fragilen und zart anmutenden Zeichnungen im Kritzelmodus und mit viel Text, waren mir einfach zu wenig. Mir fehlte die Abwechslung und eine gewisse Spannung, die es braucht, mich einem Thema umfangreich nähern zu dürfen.
Da kann auch moderne „Kunst mit Stecker“, die die Lassnig (trotz angeblicher, erster Skepsis) ebenso beherrschte, nichts daran ändern.
Leider und das stelle ich immer wieder fest, bestechen moderne Kunstaustellungen meist durch lähmende Langeweile; weil der Information mehr Raum eingeräumt wird, als der Emotion. Diese Monotonie wird dann zwar mit vielen Erklärungen (so auch im Katalogheft) wieder ausgeglichen, aber ohne Kontraste und ohne Abwechslung ermüdet der Betrachter zwangsläufig. Außerdem brauche ich keine Erklärungen, denn ich traue meinem Blick und will nicht an die Hand genommen werden. Anstatt eines nachhaltigen (simplen) Kunsterlebnisses, bekommt man heute meistens ein umfangreiches „Event“ angeboten, das dann auch den Ausstellungsmacher wichtiger erscheinen lässt, als die Kunst selber, die ja aber eigentlich, im Mittelpunkt stehen sollte. Als die Bilder einfach noch die Wände bespielten ohne irgendwelche Absichten verfolgen zu müssen, die über deren Betrachtung hinausgingen und als die Kultur-Organisatoren noch nicht „Kuratoren“ hießen, ging es weniger verkrampft zu. Es mag daran liegen, dass diese in heutiger Zeit über einen – wie ich finde, allzu großen Einfluss verfügen, den sie natürlich versuchen, immer auch geltend zu machen, wenn auf Wiederholungen des Bewährten, gesetzt wird. Sie reichen sich ihre „Talente“ in Gegenseitigkeit weiter, um sie zu heben. Dabei soll bitteschön alles so bleiben, wie es ist.
In der Kunst sollte es jedoch darum gehen, von Grund auf Neues zu erschaffen und nicht nur darum, auf Bewährtes zu setzen.
Mit einem Erinnerungsbild im Smartphone verließ ich das Gebäude. Wer weiß, wann es mich mal wieder in meine alte Schule verschlägt? Die Zeiten haben sich, wie angedeutet, doch sehr verändert. Der alte Geist machte mit der Wende einem neuen Platz, folglich fühlte ich mich nicht mehr heimisch und auch diesmal alles andere, als eingeladen.
Jeden Tag begrüßte mich früher (in den Achtzigern) diese Schöne – genannt Nike von Samothrake – die in der HGB auf dem Wege treppauf zum Lichthof hin, auch heute nach wie vor die Besucher der Schule empfängt und symbolgeladen sowohl für ‚Sieg‘ als auch für ‚Frieden‘ steht. Bei Wikipedia las ich und wusste das bis dahin noch nicht, dass die Göttin nicht nur posiert, sondern sich in einer „Landeposition“ befindet. „Mit weit offenen Armen beziehungsweise Flügeln leicht nach vorne gebeugt. Die Flügel sind dadurch mit Luft erfüllt und nach hinten gedrückt, ähnlich wie das dünne flatternde Gewand …“ Die Fragmente der 1863 auf der griechischen Insel Samothrake aufgefundenen Nike-Statue, sind vermutlich um 190 v. Chr. entstanden. Sowohl ihr Kopf als auch beide Arme sind leider nie aufgefunden worden, dennoch wirkt sie so, wie sie ist, vollkommen! Als würde sie schweben, während sie schreitet.
Eine bildhauerische Leistung, bedenkt man ihre stattliche Größe von 2.45 m – ohne Sockel.
Kraftstrotzende Frauen sind (wenn es nicht die eigenen sind) besonders reizvoll für den Künstler, denn Anmut gepaart mit Stärke, ergibt doch zwangsläufig immer einen spannenden Kontrast, der auch reichlich Platz für die Erotik lässt. Ich baue auch gern kleinere Statuen zur Entspannung und immer zwischen den mich anstrengenderen Objekten auf. Mit dem feinen Unterschied, dass meine „Göttinnen“ natürlich nicht dem üblichen Schönheitsideal der Antike entsprechen, sie heißen deshalb auch nicht Nike. Und da sie mir immer ein wenig zu übergewichtig geraten, verfügen sie nur in Ausnahmefällen über ein Flügelpaar. Sollten sie trotzdem abheben wollen, dann natürlich nur „mit beiden Beinen auf der Schnauze“! So, wie das schon Erich Fried in einem seiner bezaubernden Gedichte sehr schön zu beschreiben vermochte.
Nun sind Sie, verehrter Leser beim Eigentlichen angekommen, denn hinten steht das, womit dieser Blogbeitrag begann. Wir befinden uns demzufolge nicht mehr in den Monaten Mai/Juni, sondern es ist einen Monat früher.
RAKUBRAND, Ende April/Anfang Mai 2023.
Wenn die Bäume blühen, ist die kleine Stadt an der Havel, in der ich meine Werkstatt habe, in Feierlaune. Jedes Jahr in dieser Zeit mache ich ‚Betriebsferien‘, dann zieht es mich ins Freiluft-Gartenatelier. Die letzten Jahre mit Corona führten allerdings dazu, dass nicht gefeiert werden durfte. Aber in diesem Jahr war es dann wieder soweit; da bot es sich für mich doch regelrecht an, bei den noch recht frischen Temperaturen, die herrschten, endlich den längst überfälligen Rakubrand durchzuführen, denn es hatte sich allerlei Material dafür angesammelt. Mein Rakuofen „Marke Eigenbau“ und mit Paulchens Tür, ist im Laufe der Jahre an seinen Aufgaben gewachsen, die er zu bewältigen hatte. Darüber wollte ich eigentlich schon seit längerem berichten, doch wegen Corona lief alles anders als gedacht. Mit der neuen Tür geht nun vieles leichter und es gelangen jetzt auch sogar deutlich größere Objekte (dann in abenteuerlicher Schräglage) dort hinein. Mit Schrauben wird die Kassette der Tür in ihrer Verankerung gehalten. Bei Bedarf wird sie als Ganzes abgenommen, das ist praktisch, weil das kraftaufwendige Herausheben der schweren Keramiken über den hohen Rand, entfällt.
Sobald ich davon ausgehen kann, endlich den Ofen anzuwerfen, beginnt das Horten.
Geduldig warteten etliche Tanten bereits seit den letzten Wintertagen hinterm Sofa, dann kamen weitere hinzu. Vor dem Fernseher und hinterm Sessel stehend, warteten sie allesamt auf ihren Auftritt und harrten aus bis der Tag kommen sollte an dem es hieß, heute brennt die Luft! Bevor es im Frühling richtig losgehen kann, wird zuerst nachgeschaut, ob der Ofen den Winter (oder im Herbst den Sommer) gut überstanden hat. Beim Abnehmen der schützenden Abdeckung vernahm ich ein leises Klappern; sieh an, Walnussschalen! Und ich ahnte es schon; unsere Ratten, sie sind wieder da! Die pfenniggroßen Löcher in den leergefutterten Schalen, die zwischen Häufchen vertrockneter Obstbaumblätter lagen, schienen mich regelrecht anzugrinsen …
Mittendrin fand ich zu meinem Schrecken auch etliche größere Fetzen und viele kleinere Flusen ausgerupften, weißen Dämmmaterials. Offensichtlich kam ich gerade noch rechtzeitig und konnte also das Vorhaben, in meinem Freibrandofen ein gemütliches Nest anzulegen, unterbinden. Doch eine Stelle der weich-watteartigen Dämmmatte direkt ganz unten an der Ofentür und auf bequemer Nagetierhöhe, ist kreisrund und penibel mit einem Durchmesser von vielleicht 13 Zentimetern, deutlich ausgedünnt worden … nur noch ein winziges Stück und der Durchbruch wäre gelungen.
Diese kleinen Plagegeister!
Mit Aufkommen der milderen Temperaturen echauffierte sich unser kleiner Hund (ohne Jagdtrieb) regelrecht. Heftig auf und nieder hopsend wurden wir laut kläffend darüber informiert, dass gerade wieder etwas Ungehöriges im Garten geschieht! Ich weiß, sie alle lieben dieses Kleinod genauso wie wir, allerdings gelangen unterschiedliche Geschmäcker zur Anwendung. Mäuse zum Beispiel, die mögen es untenherum schön kuschlig mit vielen Bodendeckern, klettern aber auch auf den Zweigen der Sträucher entlang. Nie würden sie dieses wilde Paradies aufgeben! Und das sollen sie auch nicht müssen. Seit ich einen überaus interessanten Dokumentarfilm über Nagetiere sah, bereitet mir der Umstand – mit ihnen eng beieinander zu leben – weniger Sorge. Im Gegenteil es scheint sich ja sogar um eine regelrechte Auszeichnung zu handeln, wenn der Garten möglichst vielen Tierarten gefällt.
Ein Leben mit Ratten & Co. scheint also auch ohne Katze und mit dem Hund, durchaus möglich zu sein! Diese Erkenntnis nahm ich aus dem Film jedenfalls mit.
Und wer keine Katze hat, baut sich eine!
Wer weiß, wie lange wir uns den Garten mit unseren Rattenkumpels schon teilen, ohne sie zuvor bemerkt zu haben! Meine gemachten Erfahrungen mit unseren Wanderratten im letzten Sommer, die deckten sich sogar ziemlich genau mit denen der Wissenschaftler, die im Film zu Worte kommen. Die Tiere setzen, die Lage bestens analysierend, nie auf Aggression sondern immer auf friedliche Koexistenz! Und sind damit klüger als manche Menschen.
Dumm nur, dass sich unsere Interessen mitunter dann doch auch überschneiden.
An der Stelle, wo die watteweiche Dämmung ausgerupft worden war, musste also ausgebessert werden. Dann wurden die vorbereiteten Keramiken des ersten Durchganges innerhalb des Ofens platziert und der Brenner mit der Gasflasche verbunden. Mein Mann ist mein Ofenmeister, der sich um das Brandgeschehen kümmert. Er führt eine Liste, die sämtliche Vorgänge und alles drumherum Jahr für Jahr genauestens dokumentiert; das Wetter genauso wie das Brenngut, welches eingestellt wird. Wichtig ist dabei auch immer, die größeren Objekte auf einem entsprechend großen Grill, gut vorzuwärmen und die Hitze später dann direkt im Ofeninneren, eher nur sehr moderat zu steigern, damit Bruch vermieden wird.
Wir brauchten pro Durchgang an diesem kühlen und vernieselten Tage, ca. 3,5 Stunden. Angesichts der aufzuheizenden Größe des Innenraumes, eigentlich eine gute Zeit. Bei drei Durchgängen nahm das Prozedere dann aber trotzdem einen ganzen Tag in Anspruch. Der Brenner macht zudem immer derart viel Lärm, dass das Rakubrandverfahren nicht als reines Vergnügen beschrieben werden kann. Im Internet sieht das tatsächlich oft so aus, als wäre es die reinste Freude! Ich gebe gern zu, dass ich eigentlich immer recht angespannt bin, denn es muss ja vor- und nachbereitet werden. Ich mische beispielsweise die Glasuren in unserer kleinen Küche selbst an und sage es ganz offen; neugierige Besucher kann ich da wirklich nicht auch noch gebrauchen.
Die Arbeit am Ofen ist mühsame Schwerstarbeit. Die beschriebene Freude stellt sich deshalb immer erst hinterher ein. Wer einen Rakubrand aber gern einmal miterleben oder sogar selbst ausprobieren möchte, der wird im Internet fündig, um hier die ersten Anleitungen zu erhalten, außerdem werden auch Kurse angeboten. Das ist natürlich interessant. Ich gebe allerdings keine. Die erhofften Erwartungen nicht zu erfüllen, das bringt womöglich nur Verdruss. Auch unsere pelzigen Gäste nahmen aufgrund des Höllenlärms, der lediglich durchs Ein- und Ausräumen unterbrochen wurde, Reißaus. Keine drei Tage später waren sie jedoch alle wieder da.
Wir werden mit unseren Nagern auskommen müssen, wissen uns aber inzwischen mit einfachen Mitteln zu helfen, um es nicht wieder zum Äußersten kommen zu lassen, nämlich, dass sie sich derart in Sicherheit wähnen, wie im letzten Sommer geschehen, wo sie uns aufs Dach gestiegen sind. Allein, weil sie es konnten! So froh wir damals auch waren, sie endlich losgeworden zu sein, so nachdenklich wurden wir durch ihren abrupten Fortgang, denn auch Ratten können ziemlich niedlich sein …
Unsere Haustiere päppeln wir, doch solche autarken Gesellen, die ihr Dasein ohne fremde Hilfe fristen und hierbei äußerst erfolgreich agieren, dürfen kein Verständnis erwarten. Tiere, die uns lästig sind, werden bekämpft, weil sich die Menschen vor deren Vermehrungsfreude und ihrer Intelligenz fürchten. Auch den Rabenvögeln macht Mensch darum den Garaus, wo sie doch genauso gut als ‚weise‘ und ‚kluge‘ Tiere gelten. Unsere 8 Wochen mit Elsterkind im Sommer 2014, fühlten sich tatsächlich für mich damals wie ein Vollzeitjob an! Ich kam zu nichts anderem mehr. Trotzdem, eine wunderbare Erfahrung (einschließlich lustiger Experimente), die ich nicht missen will. Und das anscheinend nicht nur für uns Menschen. Prompt versuchte das Elsterpaar in der nächsten Brutsaison, uns gleich zwei ihrer Kinder zum Durchfüttern überzuhelfen.
Die umtriebigen und auf ein Miteinander ausgerichteten Wanderratten und Mäuse, dürfen jedenfalls, sofern sie sich benehmen, im kleinen Kreis in unserem Garten bleiben. Aber das Haus, (sein Dach und sein Keller) bleibt unseres! Der Hund passt auf, dass die Regeln eingehalten werden. Die Tatsache, dass die Tiere uns im letzten Sommer zu nahe kamen, kann nur als Beweis ihrer Wertschätzung aufgefasst werden. Was wir auch anstellen, die solidarisch aufgestellte, gewitzte Rattenpopulation, ist stets auf alle Eventualitäten vorbereitet, allein, um uns die Treue zu halten! Aber wir sind auch nicht ohne! Wir lernten im Laufe der Zeit so einiges dazu und sei es, sich nicht übermäßig aufzuregen.
Der baumelnde Futterspender, den unsere Freunde gleich nach dem Winter für sich auserkoren hatten, bekam einfach einen metallenen Schirm von einer alten Lampe übergestülpt und dieser verhindert nun, dass das Vogelfutter ständig nachgefüllt werden muss, weil es wiederholt geklaut worden ist. Es tut mir fast leid, dass wir so fies sein müssen … dennoch habe ich mich am Fenster stehend köstlich amüsiert, wie eine noch junge Ratte das Rätsel zu knacken versuchte und dabei alles gab, es aber trotzdem nicht gelingen wollte! Wie sie sich über sich selbst ärgerte, es partout nicht einsehen wollte, aufgeben zu müssen und sichtlich genervt alle möglichen Strategien ausprobierte, – das erinnerte mich an mich selbst, wenn mir etwas nicht gelingen will.
Auf die einfachste Idee, die Schnur einfach durchzubeißen, war sie aber nicht gekommen …
Kleine wendige Energiebündel, die von uns Menschen immer mit ihrem Ziel vor Augen, aktiv daran gehindert werden, das zu bekommen, was sie gern hätten. In gewisser Weise fühle ich mit ihnen. Denn die „Futterbehälter“, die ich gern ausprobiert hätte, die hingen ja für meine kurzen Beine, auch immer zu weit oben … uncharmante „Futterorganisatoren“, die sich gezielt einen Spaß daraus machten, mich einzuladen, damit ich vorbeikomme, nur um zu sehen, wie gut es allen anderen schmeckt! Gekränkt darüber, den Ball immer wieder nur hingeworfen zu bekommen, ohne ihn jedoch auch einmal ins Tor befördern zu dürfen, zog ich die Reißleine und blieb dann eben lieber zu Haus.
Ich bin treffsicher inzwischen! Anderen bei ihrem Spiel nur zuzusehen, erfüllt mich darum auch nicht.
Meine Werkstatt verfügt über zwei Räume. In jedem kann gearbeitet werden, solcherart auf diese Weise eine Trennung zu vollziehen, ist von großem Vorteil. Im kleineren Raum steht der düstere Haufen aus Knochen, weil ich zur Zeit noch keinen anderen Platz für ihn weiß. Ihn ständig vor Augen zu haben, macht jedoch etwas mit mir. Ich arbeitete daran bald ein Jahr, währenddessen er größer und größer wurde und noch immer kommt ab und an – wie vor einem Monat der Wildschweinschädel – etwas Neues hinzu.
Es tut deshalb gut zwischendurch nach nebenan zu können. Das Nachdenkliche provoziert das Humorvolle auf der anderen Seite regelrecht. Überall liegen bunte Scherben. Ich baue nebeneinander und auf verschiedenen Tischen, die unterschiedlichsten Objekte auf. So kann ich je nach Zustand, von einer Collage zur nächsten wechseln. Zuletzt freute ich mich besonders über ein Teeservice, das mir der Zufall in die Arme trieb. Ich zerlegte seine goldglänzenden Tassen und machte Scherben aus ihnen und bin jetzt dabei, diese wieder in neuer Konstellation zusammenzufügen. Je größer meine Arbeit wird, umso stärker leuchtet es golden gegen das tiefdunkle Schwarz, das den Raum nebenan, dominiert.
Dieses Leuchten wachsen zu sehen, ist die reinste Freude.
Und auch der zurückliegende Rakubrand bescherte mir noch weitere, spannende Arbeit. Denn die Resultate des Durchgangs Nummer zwei, überzeugten mich nicht, weswegen sie überarbeitet werden mussten. Nachdem ich am 4. Juni den E-Ofen ausräumte darf ich sagen, es ist mir gelungen. Tun und Machen, Finden und Sammeln und zur Anwendung bringen, was kann es Schöneres geben? Nicht immer geplante Vorgänge und Abläufe, die dennoch immer wieder zu schönsten Ergebnissen führen – all das bestimmt mein Leben. Es bleibt vieles offen und wird nur durch den von mir gesteckten Rahmen bestimmt. Manches bleibt ungewiss, fügt sich dann aber doch auf wunderbare Weise. Ich bin immer optimistisch und habe alle Zeit der Welt obwohl ich eigentlich keine habe! Dazu diese Widersprüche, stets etwas zu wollen, was mich nicht will oder umgekehrt. Weil ich mir alles selbst erarbeiten muss, kenne ich keine Routine, was ein großer Vorteil ist, denn ich sehe mich gezwungen (auch geistig) in Bewegung zu bleiben! Wer den Mangel nicht kennt, der plant und arbeitet daraufhin, ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen. Ich aber leiste mir den Luxus, den Zufall zum Freund zu haben und es darauf ankommen zu lassen, eventuell auch zu scheitern ganz ohne Plan. Tun und lassen, wie ich es für richtig halte, ohne geldbetonte Effizienz.
Dabei ohne Anerkennung und in der Opposition gefangen zu sein, strengt jedoch ungemein an.
Wohl aus diesem Grunde brachten die Coronaviren Besserung in mein Leben. Rückblickend und zur Erklärung sei vermerkt, dass ich immer davon ausgegangen war, ich kümmere mich zu wenig! Ich wunderte mich auf der Stelle zu treten und gab mir selbst die Schuld. Heute weiß ich, dass dem nicht so ist und dafür danke ich dieser, von allen anderen so verhassten, Corona. Ich war in dieser Zeit niemandem eine Rechtfertigung schuldig und warf allen Ballast gänzlich ab. Während die Viren auf der Seele einiger sensibler Mitmenschen böse Spuren hinterließen, arbeitete ich mich an ihnen ab. Ich entwickelte aufwendige Portraits, bei denen nach Aufbau und anschließendem Brand, deren Zerstörung erfolgte, nur, um sie danach – wie verschoben, neu zusammenzusetzen.
So erschuf ich ein neues, wahrlich gebrochenes, Menschenbild.
Das erneute Zusammenfügen wirkte irgendwie heilsam, wahrscheinlich, weil ich auf diese Weise Althergebrachtes in Frage stellen konnte. Während ich an diesen Portraits arbeitete und die Scherben neu ausrichtete und verklebte, begleiteten natürlich gewisse Emotionen einhergehend mit großer Nachdenklichkeit, mein Tun. Und an dieser Stelle komme ich auch nicht umhin zu vermerken, dass ich leider währenddessen (also schon damals) zu der Auffassung gelangt bin, dass wir den Klimawandel und die Erderhitzung mit all den schlimmen Konsequenzen, die das mit sich bringt, nicht werden aufhalten können. Ich denke, wir haben den Kipp-Punkt, wo Heilung noch möglich gewesen wäre, bereits seit Längerem überschritten.
Da fragt man sich dann, was ist eigentlich passiert, dass es soweit kommen musste?
Nicht von der Hand zu weisen ist, dass wir immer mehr werden, allein, weil wir uns als einziges Tier, gleich mehrere Identitäten gleichzeitig zulegen können! Hurra wir leben, aber die Arten sterben aus! Niemand kann mehr sagen, er hätte von nichts gewusst. Ständig werden wir informiert und mit Wiederholungen gesegnet, die uns leider erst zur vorgerückten Stunde, zu sensibilisieren versuchen. Ausgesprochen sehenswert ist beispielsweise der Dokumentarfilm von Marc Bauder: „Wer wir waren“, aus dem Jahre 2021, der charismatische Freidenker zu Worte kommen lässt; den Astronauten (Alexander Gerst), die Meeresbiologin und Umweltaktivistin (Sylvia Earle), die Roboterethikerin und Feministin (Janina Loh) den Ökonomen und Wirtschaftswissenschaftler (Dennis Snower), den Buddhisten und Molekularbiologen (der Mönch Matthieu Ricard) und den Sozialwissenschaftler (Felwine Sarr), die alle nach praktischen Wegen suchen, diesen Planeten zu retten und den Fortbestand der Erde zu sichern.
Jeder, der es noch immer nicht begriffen hat, was wir im Begriff sind zu verlieren, sollte ihn sich ansehen. Denn weil es der Welt anscheinend noch nicht schlecht genug ergeht, denn es geht ja allen viel zu gut, funktioniert es noch immer, Verantwortung einfach weiter zu reichen. Während ein Teil verzweifelt in die Zukunft schaut, lässt sich der andere, kleinere Teil, der genug Geld zur Verfügung hat, schmucke Untertage-Bunker in der Schweiz (nur für alle Fälle) zum Überleben entwerfen. Glitzernde Kronleuchter inclusive. Die Liebe zur Natur kann nicht erzwungen und auch nicht verordnet werden, sie muss von innen heraus zur Selbstverständlichkeit vieler werden, wenn sich etwas ändern soll. Überzogenes Eigeninteresse gepaart mit einem Zuviel an ungesunder Eigenliebe, sind die wesentlichen „Erfolgsmodelle“ unserer abgehobenen Spezies, die uns dichter noch an den Rand des Abgrunds heran rücken werden.
Ansonsten kann es lediglich hilfreich sein „genug Schwein zu haben“.
„Schwein zu haben“ ist jedenfalls immer besser, als kein Schwein gehabt zu haben. Bei meiner anfänglichen Recherche zu diesem Beitrag über das Glück (im März) stolperte ich über allerlei unterschätzte Tierarten, von denen Insider berichten, dass diese ihre Kräfte nur an ausgewählte Personen verteilen, die das auch zu schätzen wüssten. Es scheint mir darum angeraten, noch zum Abschluss darauf hinzuweisen! Glück haben wir doch alle gerade sehr nötig und Ratten, so erfuhr ich, sollen wahre Glücksbringer sein! Sie bescheren zudem auch Erfolg und Reichtum! Wer brauchte beides nicht? Am besten, um damit dann Gutes zu tun, von dem alle etwas haben!
Die Inder beispielsweise, verehren ihre Ratten regelrecht, die folglich auch sehr zutraulich werden. Dort bekommen sie extra Schälchen mit frischer Milch hingestellt, um sich daran zu laben – große, alte, kleine – ganze Familien von Wanderratten, an deren Lebensfreude sich die Menschen dann erfreuen. Warum schreibe ich darüber? Weil wir in Zeiten des Klimawandels unser Verhältnis zu allem, was NATUR heißt, ändern müssen, auch solchen Tieren gegenüber, die wir bisher verachtet haben und unser Verhältnis zu ihnen, genauer hinterfragen sollten!
Denn wir können durchaus von ihnen lernen!
Und zwar all das, was wir verlernt haben! Vieles über die Liebe und die Solidarität zum Beispiel, auch mit Kompromissfindung und lösungsorientiertem Handeln kennen sie sich bestens aus. Was sie als gegeben hinnehmen müssen, akzeptieren sie und versuchen sich damit zu arrangieren. Ratten praktizieren aktive Kranken- und Altenpflege, sie leben in einem gesunden sozialen Miteinander … alles das, was auch wir früher wussten, heute aber vergessen haben, das beherrschen diese kleinen Nager und kommen damit bestens zurecht, ohne Machtspiele, sondern einer auf Wissen basierenden Rangordnung. Soll die Natur, sollen Pflanzen und Tiere gesunden, dann gehört dazu, unsere Ressentiments und unsere Überheblichkeit endlich abzulegen und auch solche im Schatten ihr Dasein fristenden Arten, in unser Herz zu schließen, denn sie alle sind einzigartig und liebenswert. Genau wie wir …
Der von mir bereits erwähnte Dokumentarfilm „Stadtratten“ (2022 – 2023) von der Regisseurin Maria Wischnewski und Wissenschaftlern des Umweltbundesamtes (UBA) hilft, hier Verständnis zu entwickeln für diese intelligenten Tiere. Wandernde Ratten unterwandern erfolgreich und listig die Eigeninteressen von Homo sapiens und haben deshalb ihren überaus schlechten Ruf, von den garstigen Menschen nur angehängt bekommen. Ich rufe dazu auf dieses Denken infrage zu stellen! Sage mir wie du zu den Tieren stehst und ich sage dir, wer du bist, beziehungsweise, wie du dich zu Menschen verhältst, die keine Lobby haben. Das ist ein überaus wichtiger Aspekt, der mir an dieser Stelle wichtig erscheint, extra beleuchtet zu werden!
Denn, wer gepiesackt wird, der hat was zu bedeuten!
Erfolgreiche Geschäftsleute (die eingangs erwähnten, großen Tiere, die, welche alleinig an die hohen Früchte herangelangen tun …), sie genießen ihre Privilegien! Sie schauen allein darauf, was sie zu erwarten haben, um sich dann, entsprechend zu verhalten! Sie üben sich in ständiger Kontrolle und haben jegliches Vertrauen in das Gute verloren.
Die reinste Energieverschwendung! Erfolgreiche Tiere und Pflanzen werden vergrämt und bekämpft oder gleich ganz ausgerottet. Wenn sie gegessen werden können, weil sie schmecken, ist das für den Gourmet noch die Beste aller Varianten, sie sich vom Halse zu schaffen. Dabei ist „in vielen von uns ein Ratten- oder Mäuseelement lebendig: ein kleiner düsterer, chthonischer Aspekt (chthonisch = altgriechisch, der Erde angehörend) in unserem tiefsten Inneren, der in den Augen des Kollektivs etwas Verwerfliches hat.“
Diesen Text über die Stärke der Ratten, entnahm ich dem „Buch der Symbole“, 2011 erschienen bei TASCHEN GmbH, 807 Seiten. Immer ist es so, dass das, was ich gerade brauche, zu mir findet. Und so las ich weiter: „Es ist verführerisch diese ‚Ratte‘ an die verborgenen Ränder des Bewusstseins zu verbannen, wo sie so gut wie unsichtbar bleibt. Doch wenn wir bereit sind, sie einzuschalten, ihr einen respektierten Raum zu überlassen, in dem sie sich offenbaren darf, kann ihre Energie zu einem unschätzbaren Verbündeten werden. Mit ihren Ohren nah am (Unter-) Grund kann sie uns wie ein Orakel vor den dunklen Maschen warnen und uns einen Weg aus dieser Gefahr weisen. Sie wird uns eine Art psychischer Straßenintelligenz lehren, uns eine rauflustige Entschlossenheit zum Überleben einflößen und sich letztendlich als verkleidete Gottheit erweisen.“
Diese verkleidete Gottheit sollte zur nächsten Bundesratssitzung unbedingt eingeladen werden.
Ich schalte meine innere Ratte andauernd ein und lasse mich von ihr beraten. Mit Widerständen, mit denen auch ich leben muss, kennen sich alle Ratten bestens aus, das macht sie mir so sympathisch. Sie lassen mich wissen, dass die Psychospielchen, die die Menschen benutzen, um mich an die kurze Leine zu legen, doch nichts weiter sind als ein ernst zu nehmender Hinweis auf meine Qualität!
Vermutlich kamen unsere Ratten genau aus diesem Grunde, nämlich um mich aufzubauen.
Dennoch frage ich mich bei aller Einsicht und trotz Nächstenliebe gegenüber den Menschen, die leider nun einmal so sind wie sie sind: Sich gegen netzwerkgeknüpfte, „dunkle Maschen“ durchzusetzen, ohne hierbei selber auch nur den geringsten Beistand zu erfahren, muss doch wohl als ausweglos angesehen und deshalb als nicht änderbar hingenommen werden.
Maren Simon am 9. Juni 2023