Worte zum Sonntag, dem 8. März

“Junger Wissenschaftler”, Öl auf LW, Maren Simon, 2018

Wissenschaftler sind ja bekanntermaßen in der ganzen Welt unterwegs und sicherlich bringen sie manchmal auch von ihren Reisen, etwas Unvorhergesehenes mit, Coronaviren eventuell. Aber ich denke, wir sind noch rechtzeitig vor dieser Gefahr und aus einem schönen Anlass heraus, nach Jena gefahren. Die 14 Tage Inkubationszeit sind bald um und wir sind ohne Symptome, doch die bösen Viren können uns mit ihrer Anwesenheit, noch immer überraschen! Ich spüre es im Halse deutlich kratzen, aber wahrscheinlich hat das andere Gründe. Beim Abschied sagt der Sohn: „Muddi, ich lese deine Blogs, nur damit du das weißt.“

Ich denke bei mir, ja und? Meint er das tatsächlich anerkennend? Was mich dann doch ein wenig wundert. Mein mütterliches Interesse und meine Bereitschaft, mich dem Sohne mitzuteilen, sind mehrmals schon in Form von lähmender Stille am Ende der anderen Leitung, abgestraft worden. Mit Wissenschaftlern zu kommunizieren, kann jedenfalls recht anstrengend sein, vor allem dann, wenn man selbst kein Wissenschaftler ist. Dann muss man bereit sein zu akzeptieren, dass es im Leben der Kinder auch Wichtigeres, als die Eltern, geben kann.

Ich habe ja auch wirklich genug mit mir selbst zu tun und gelangte allein von daher, zunehmend zu der Erkenntnis, mich fortan weniger um anstrengende Familiensachen kümmern zu wollen! Ich appelliere stattdessen zu einer, meiner Meinung nach dringenden, vermehrten Kommunikation zwischen Vater und Sohn. Mütter haben, so kommt es mir jedenfalls vor, irgendwann Sendepause. Sobald eine andere Frau in das Leben des Sohnes tritt, wird Mutti zu Luft. Früher, in der Steinzeit, da wurden die Alten dem bösen Säbelzahntiger, der am Höhleneingang wartete, zur Besänftigung vorgelegt und von diesem dann, aufgefressen!

Ich kann das alles gut verstehen.

Doch, bevor ich in Gänze unsichtbar zu werden beginne, will ich die Mitteilung für alle, die es interessiert, herausposaunen, dass „wir“ den stolzen Titel am 26. Februar mit Bravour verteidigt haben! Die Handvoll Doktoren und Professoren vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena, gelangten nach dem üblichen Prozedere zu der Überzeugung, dass das Urteil „Magna cum laude“ für die Leistung des Dissertanten Carsten Simon, geboren im Juni 1988, angemessen sei und entließen unseren Sohn einvernehmlich lächelnd, aus ihrer verzwickten Fragerunde.

Wunderbar. Nun hat er es geschafft. Nun fängt ein neuer Lebensabschnitt für ihn an.

Wir sind erleichtert. Souverän behauptete sich der junge Mann vor dem Auditorium. Da das Mikrofon sich leise säuselnd zu wichtig nehmen wollte, sprach er ohne. Wir kamen auf den letzten Drücker und der Saal war bereits gut gefüllt mit vielen jungen, aber auch älteren Zuhörern. Carsten war offenbar imstande, sie alle in das Gebiet des Amazonasregenwaldes mitzunehmen, genau dorthin, wo er seine Forschungsarbeiten durchführte, von denen er komplett in englischer Sprache berichtete. Erstaunlich, wie sicher er sich gab. Ich vermochte ihm kaum zu folgen und verstand so gut, wie kein Wort! Der von Fachbegriffen strotzende Vortrag, war die reinste Zumutung – nicht nur für mich. Über die, an die Wand geworfenen Grafiken, bekamen wir dennoch gewisse Zusammenhänge mit. Das musste uns reichen.

Mit Erleichterung nehmen wir nun zur Kenntnis, wie gut unser Sohn in das System des Jenaer Institutes eingebettet ist und damit sein weiterer Weg – beruflich und familiär – von dort aus unterstützend begleitet werden wird. Diese erfreuliche Erkenntnis untermauerte, was wir schon seit längerer Zeit zu spüren bekamen; unser Sohn ist eigenständig und baut sich erfolgreich sein eigenes Leben auf. Uns braucht er dafür nun nicht mehr. Das schöne deutsche Wort „abnabeln“ veranschaulicht diesen Prozess sehr deutlich.

Darüber freuen wir uns natürlich sehr. Allerdings haben wir, die Alten, manchmal eher den Eindruck hier die „Abgenabelten“ zu sein, als umgekehrt und versuchen aus unserer wiedergewonnenen Freiheit, das Beste zu machen.

In der schönen Studentenstadt Jena ist es (eine junge) Tradition, dass die noch taufrischen Doktoren, einen Buchsbaumkranz auf das Schwert des bronzenen Abbildes des Kurfürsten Johann Friedrich I. von Sachsen werfen, der mitten auf dem Marktplatz steht. Er gilt als der Begründer der Universität der Stadt und sie huldigen ihm auf diese Weise, ihm, der von der Studentenschaft scherzhaft in „Hanfried“ umbenannt worden ist. Dank unserer Jenaer Begleitung, sollte auch unser Sohn um diese erfrischende Veranstaltung, zu fortgeschrittener Stunde und bei Nieselregen, nicht drumherum kommen! Er brauchte mehr als 30 Minuten, ehe ihm der entscheidende Treffer gelang. Laut Smartphone kullerte genau um 18. Uhr, 18 Minuten und 18 Sekunden, als es bereits dunkel zu werden begann, das völlig abgenuddelte, rohrgeflechtige Innenleben seines Kranzes lustig und unter regem Beifall aller Anwesenden, von Hanfrieds überlanger Schwertspitze zu dessen Griff herunter.

Genau über zwei bereits vorhandene Kränze älteren Datums, die ebenfalls lädiert aussahen. Ein schönes Ritual, dass der Stadt Jena jedoch zusätzlichen Aufwand bei der Beseitigung ständig geworfener, vor sich hin gammelnder Kränze auferlegt, weshalb, wie ich herausgefunden habe, um Spenden gebeten wird. Mich amüsiert das ein wenig, denn das Kranzwerfen ist doch unbestritten ein recht witziges Ritual, das allen daran Beteiligten in netter Erinnerung bleiben wird und darüber hinaus, auch der Stadt und nicht nur den treffsicheren Doktoren, einige Sympathiepunkte einbringt!

In geheimnisvollem Blau schimmerte der Abendhimmel, die Laternen und Schaufenster rund um den Marktplatz leuchteten orangegelb gegen die zunehmende Dunkelheit an. Zum Ausklang des Tages trafen wir uns schließlich in einem der urigen Studentencafés, dessen wilden Garten wir bereits im Sommer besucht hatten. Die Altstadt von Jena ist besonders gemütlich, fast alle Wege sind hier kurz und falls sie sich doch etwas länger ausnehmen sollten, nimmt man das Fahrrad. Überall kann man sitzen, um zu verweilen. Das tun die vielen Studenten dann auch und sorgen mit ihrer Lebendigkeit, für ein ganz eigenes Flair in der Stadt.

Carstens Freunde saßen an einem der Tische beisammen, seine Wissenschaftlerkollegen und anderen jungen Doktoren, auch sein Doktorvater, Prof. Dr. Gerd Gleixner, an einem anderen daneben. Mitten drin unser Sohn. Und dann gab es einen Tisch etwas abseits mit einem „tiefer“ gelegten Sofa dahinter – darauf saßen später wir und fühlten uns wie diese beiden älteren Herren, „Waldorf“ und „Statler“ aus der Muppet-Show, – mit dem feinen Unterschied, dass diese beiden witzigen und alles und jeden kritisierenden Herren, von „oben herab“ den besten Überblick auf alle anderen haben, weil sie auf einem Balkon residieren. Ernüchtert betrachtet blieb uns auf unserer Wanzenburg in der „unteren Etage“, nichts weiter übrig, als festzustellen, dass unsere Tage gezählt und nun andere an unserer Stelle, den Staffelstab aktiv übernehmen würden.

So ein gemütliches Sofa ist (auch ohne Hund) durch nichts zu toppen. Als wir jung waren, befanden wir uns mit unseren Freunden oft in ganz ähnlichen Situationen, sogar das Ambiente war damals genauso abgeschabt, wie heute. In dem gleichen Alter, wie die jetzt scheinbar sorglos feiernde Jugend um uns herum, hatten wir jedoch bereits ein Kind zu versorgen. Schon merkwürdig, wie schnell die Zeit vergeht. Dass unser „goldiges Kerlchen“, als das „klein Carsten“ früher gern betitelt wurde, nun gänzlich erwachsen geworden ist, sollte uns später, zu fortgeschrittener Stunde und nach dem 2. Glas Wein, noch leicht melancholisch stimmen. Unser Geschenk zur bestandenen Verteidigung ist von daher auch ein symbolträchtiges: eine schöne, dicke Fliesenscherbe, gefunden im Wald (die „heimische Scholle“ darstellend), mit kleinem, bronzenen Drachen darauf, der Carstens chinesisches, glückbringendes „Kraftzeichen“ ist. Ausufernden Schrittes zieht er von dannen. In die weite Welt hinaus.

Zu Hause angekommen, dachte ich darüber nach, wie wichtig gute Erfahrungen aus der Zeit der Jugend für den weiteren Lebensweg sind. Es ist nicht selbstverständlich, dass ein junger Mensch so zielstrebig in der Mitte der Gesellschaft ankommt und seine Chancen nutzend, auch in jungen Jahren schon, so viel Erfolg und Ansehen genießen darf. Da hat er auch großes Glück gehabt! Dennoch: „Willst du, dass wir mit hinein in das Haus dich bauen, lass es dir gefallen, Stein, dass wir dich behauen.“ Friedrich Rückert promovierte 1810 ebenfalls in Jena und bringt es mit diesen Zeilen auf den Punkt. Dieses Eingebundensein, wie in eine große Familie, gibt es nicht einfach so, denn es ist Versprechen und Auftrag zugleich. Ein bisschen Wissenschaft geht nicht. Entweder man sagt beherzt „ja“, oder man lässt es bleiben.

Ich fand es sehr schön, dass in der Danksagung seiner Dissertation, auch die früheren Erzieher*Innen und Lehrer*Innen mit Namen genannt werden. Carsten hatte es als Kind von der Stadt, das alle seine Freunde zurücklassen musste, auf dem Dorf nicht leicht. Ich erinnere mich an eine Situation im Schulhort, wobei sich Carsten von der obersten Sprosse des Klettergerüstes aus, lauthals Luft verschafft haben musste, weil er sich von den anderen Kindern ungerecht behandelt fühlte. Jedenfalls fragte mich eine der Erzieherinnen, als ich ihn dann am Nachmittag abholte, ob wir zu Hause auch mit solchen „Kraftausdrücken um uns werfen“ würden, wie unser Sohn…

… und nun ist aus dem kleinen aufmüpfigen Jungen von damals, ein schöner, starker Mann geworden, der sich hoffentlich immer auch an die guten Seiten seiner Jugend, erinnern wird.

Auf Augenhöhe – Lena und Carsten

Die Frage ist doch die, „was“ will man „wie“ im Leben erreichen? Und hier muss jeder selbst entscheiden wohin seine Reise geht. „Sie können stolz auf ihren Sohn sein“, das hörten wir gefühlte 50 Mal an diesem Tag … und ja, wir können es nicht oft genug wiederholen, wir sind es! Carstens Erfolg ist Ausdruck dessen, dass auch wir, als seine Eltern, irgendetwas richtig gemacht haben müssen. Sodass dieser Tag nicht nur sein Tag und der seines Doktorvaters war, sondern auch der unsere.

Und auch der seiner Großeltern! Auch, wenn diese inzwischen aus unserem Blickfeld verschwunden sind, beziehungsweise, in meines Vaters Fall – nicht mehr am Leben – so darf man nicht vergessen anzuerkennen, dass unsere Urahnen durch ihr Wirken mithalfen, die solide Basis für ihre Nachkommen zu legen. Familientechnisch betrachtet, sind wir Ostdeutschen allerdings zu Verlierern mutiert, wobei mir wichtig ist anzumerken, dass dem nicht immer so war! Viele Faktoren, unter anderem auch die Wendejahre, bereiteten den Boden dafür. Und es leiden auch nicht alle gleich; manche scheinen sich abgefunden zu haben.

Ohne diese, die Lebensläufe unserer Elterngeneration degradierenden Vorgänge, wäre sicherlich vieles auch für uns, ihre „Erstgeborenen“, anders verlaufen. Es ist zwar sehr schön, dass unsere Mitte rein technisch betrachtet, wieder hergestellt ist, doch der Preis für all das, was in den betreffenden Familien an Porzellan zerschlagen worden ist, ist um ein Vielfaches zu hoch und die unschönen Auswirkungen werden noch für Generationen nach uns, spürbar sein. „Es gibt immer nur die Deutschen und die Ostdeutschen. Der Westen ist das Normale, der Osten wird in Nähe oder Distanz dazu beschrieben.“ (Zitat von Ingo Schulze, Schriftsteller) Und ich füge hinzu, wir sind aus diesem Grunde nicht mehr einfach so in der Lage, selbstbewusst aufeinander zuzugehen. Darüber wird im folgenden Text, weiter unten, noch zu lesen sein, wenn es darum geht, anderen Steine in den Weg zu legen.

Das Datum der Dissertation unseres Sohnes, der 26. Februar, ist zufälligerweise auch der Tag, an dem mein Vater vor 28 Jahren starb. Er überlebte die Wendejahre und die ungewisse Zukunft damals nicht. Carstens Großvater, Rudolf Sauer, wäre am 14. Februar 86 Jahre alt geworden. Wie sehr freute er sich über sein erstes Enkelsöhnchen! Weitere Enkel sollten folgen, doch sie erlebten den Opa (mütterlicherseits), nicht mehr. Wenn mein Vater an diesem Februartag in Jena hätte dabei sein können, wieviel anders wäre dieser 26. Februar 2020 für mich und die Meinen, verlaufen! Außer mir dachte daran natürlich niemand, auch nicht Dissertant Carsten, den ich ganz bewusst nicht daran erinnern wollte.

Ich dagegen, konnte kaum an etwas anderes, als das Vergangene, denken.

Und ich stellte mir vor, dass mein Vater während der „Blauen Stunde“, jener kurzen Zeitspanne zwischen vergehendem Tag und anbrechender Nacht, ein Zeichen sandte und unserem Sohn dabei half, gerade noch rechtzeitig seinen zerfledderten Buchsbaumkranz direkt über der bronzenen Spitze von Hanfrieds Schwert, zu platzieren, bevor die Dunkelheit beide, das Bronzedenkmal und Carstens Ehrenkranz, – verschluckte.

Und wie geht es mir? Kunst geht ja ähnliche Wege, wie die Wissenschaft, denn auch hier braucht es den notwendigen Idealismus und einiges an Durchhaltevermögen. Und auch ohne das berühmte Quäntchen Glück geht es meistens kaum. Während ich den Erfolg unseres Sohnes genieße, denke ich über meinen eigenes Leben nach und weiß nicht, ob ich darüber klagen oder vielleicht doch lieber lauthals loslachen sollte.

Morgen ist der 8. März, der internationale Tag der (werktätigen) Frauen.

Hatice Akyün formulierte in treffend gewählten Worten einen PNN – Artikel zu diesem Frauentag, wovon ich einige Zeilen als Einstieg nutzen möchte. Sie schreibt: „Wo man hinschaut, weht einem das müffelige Testosteron der 50er Jahre entgegen. Und dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob die Herrschaft 30 oder 70 ist.“ „Meine Sorge gilt den Frauen, die in einer Zeit, in der sie zumindest theoretisch alle Möglichkeiten hätten, die Zeit damit vergeuden, gegen andere Frauen zu hetzen, statt sich mit ihnen zu solidarisieren. Frauen werden von Frauen ausgegrenzt, weil ihre Lebensweise nicht dem eigenen Bild von Selbstbestimmung entspricht. Diese Frauen müssen sich nicht nur gegen Männer behaupten, sondern sich auch gegenüber Frauen rechtfertigen.“ „Frauen erleben tagtäglich unterschiedliche Formen von Benachteiligung, nur weil sie Frauen sind. Wenn wir uns nur immer wieder selber Steine in den Weg legen, freuen sich am Ende die Männer. Denn solange wir mit unserer Befindlichkeit beschäftigt sind, können sie seeelenruhig ihre Vorteile genießen.“

In meinem Falle bedeutet das, ich muss mich andauernd mit Problemen befassen, die nicht meine sind, die meine Energie beanspruchen und von daher meine Arbeit behindern. Gezwungenermaßen muss ich mich laut zur Wehr setzen, obwohl ich das nicht will und werde deshalb zunehmend aggressiver. Dagegen will ich etwas tun.

Von so einem oben beschriebenen und zur „besseren Schicht“ gehörenden, älteren Herren meiner Nachbarschaft, werde ich, in provozierender Absicht und seit geraumer Zeit, immer wieder dazu genötigt, mich mit ihm zu beschäftigen. Seitdem er im forschen Rückwärtsgang sein Auto gegen meines rammte, kenne ich seinen Namen. Zwecks Schadensausgleichs saß er dann etwas kleinlaut in meiner Werkstatt und musste auf meine Plastiken schauen und konnte sich vielleicht deshalb nicht verkneifen, mich darüber zu informieren, dass ich in Werder „nicht recht anerkannt beziehungsweise, gut angesehen sei.“ Warum das so ist, verriet er mir nicht.

Ich erinnere mich jedoch daran, dass zu meiner Werkstatteröffnung 2006, auf meine Einladung hin, auch Werders damaliger Bürgermeister, Werner Große, anwesend war. Ich bekam eine Topfpflanze, die mich noch längere Zeit erfreute und einen Katalog von Karl Hagemeister, dem bekannten Werderaner Maler, überreicht. Es gibt Fotos von diesem Tag. Die 2000er Jahre sollten für mich recht fruchtbare Jahre werden. Beim Recherchieren fand ich Fotos, die ich ganz vergessen hatte und über die ich mich jetzt natürlich sehr freue. Sie sind Beleg dafür, dass die Ausgangssituation in Werder meinerseits, eine gute gewesen ist.

Immer wieder zur Baumblüte sah ich mich dann jedoch gezwungen, meinen Laden dicht zu machen. Doch darüber will ich mich nun nicht schon wieder auslassen. Mit der Sanierung des Nachbarhauses begann jedenfalls ein unschönes Gezerre um das sogenannte „Straßenland“ vor der ehemaligen Fleischerei, die 2006 zu meiner Werkstatt wurde. Darauf hatten sich manche regelrecht eingeschossen. Wobei ich an dieser Stelle anmerken möchte; auch der frühere Inhaber, der Fleischermeister, beförderte seine Schweinehälften und das Eis zum Kühlen derselben, welches er aus der Föhse gewann, sicherlich nicht mit einem rumpelnden, hölzernen Leiterwagen dorthin.

Mich beschleicht inzwischen der Verdacht, dass ein ehemaliger Bauamtsleiter in Werder für meine Probleme verantwortlich sein könnte. Sein Geltungsbedürfnis meiner Person gegenüber, spricht Bände und mit Hilfe seines Mercedes, den er immer wieder zu gern in mein Sichtfeld rollt, bringt er mir gegenüber zum Ausdruck, wer er ist. Wenn ich mich mokiere, werde ich von ihm demonstrativ und gelangweilt mit den Worten „was Sie schon zu vermelden haben“ abgekanzelt, ich, die ich „nicht ganz dicht”, „gaga“ oder wie neulich erst von ihm festgestellt, „schon wieder besoffen“ bin. Darüber hinaus bin ich seiner Meinung nach, nur „mangelhaft gekleidet“, „schauen Sie sich doch mal an, wie Sie wieder aussehen – und so etwas will eine Künstlerin sein!?“ Natürlich, es kommt bei Frauen (und Künstlerinnen) immer vorrangig darauf an, schick zu sein, das hatte ich völlig vergessen.

Doch was geht ihn das eigentlich an, wie „plemmplemm“ ich bin?

Für jeden anderen Menschen wären so viele Bosheiten Grund genug, einen Anwalt einzuschalten. Mir tut der Mann hingegen einfach nur leid. Er kann ja nicht wissen, wie sich das anfühlt mit Stöckelschuhen bildhauerisch tätig zu sein, er ist weder Frau, noch Künstler oder Bildhauer! Dennoch weiß er aber offensichtlich über alles genauestens Bescheid! Überhaupt werde ich (wie von der Staatssicherheit früher), rund um die Uhr observiert! Wer mich besucht – dass mich keiner besucht – warum mich jemand besucht – warum niemand mich besucht – dass in mein Fenster eh niemand sieht und immer wieder, wie „dreckig“ mein Straßenland ist!

Wen interessiert’s?

All das scheint immens wichtig zu sein! „Sie sind ja nie da!“ Ganz offensichtlich, hat hier, im Gegensatz zu mir, jemand viel zu viel Zeit …

Was mich stört, ist die Tatsache, immer wieder neue Gegner hinzu zu bekommen, die, wenn sie neu in das schicke Haus eingezogen sind, gegen mich aufgeputscht werden. Man stellt sich bei mir nicht vor, scheint aber genauestens über mein negatives Image informiert zu sein!

Abwechselnd standen in der Vergangenheit sämtliche Autos anderer Mieter aus des alten Mannes Haus, vor meiner Türe herum. Auf meine Anfrage behauptete man dann recht dreist, dies unbedingt tun zu müssen.

„Weil wir alle dieselben Parkplatzprobleme haben.“

„Weil es nur fünf Minuten dauert.“

Und „weil die Einkäufe so schwer sind.“

Nichts sind dagegen, meine 20 Tonhubel, die ich immer mal wieder ausladen will, wovon einer allein 10 kg wiegt. Nichts sind die sensiblen Plastiken, die bis zu 35 kg. wiegen und sorgsam transportiert werden wollen. Selber schuld als Frau, diesen außergewöhnlichen Beruf gewählt zu haben!

ZWEIHUNDERT KILOGRAMM.

„Nicht mein Problem“ ruft die Nachbarin mit Kind vom untersten Balkon herab, als ich vorm verschlossenen Tor, das ihre Privatsphäre schützt, stehe, um mit ihr zu reden. Ich versuchte es in der Vergangenheit vergeblich immer wieder, auch mein Mann. Klar, dass es hier allein um die Beschneidung meines Raumes und meiner Möglichkeiten geht.

Und, ja, offensichtlich ganz allein mein Problem! Und weil auch ihre Probleme – vice versa – nicht meine sind, werde jetzt auch ich immer ungemütlicher. Und ich dringe darauf die Parkanweisung einzuhalten! Eure mittelschweren Einkäufe könntet ihr doch ganz easy mit einem schicken Rollator vom Auto zum Haus befördern. Oder man fährt direkt auf das hauseigene Grundstück! Lädt aus und parkt dann sein Auto ordnungsgemäß.

Zu allem Überfluss erhalte ich doch tatsächlich von einer Bewohnerin des Wohnkomplexes – wenn auch in vermittelnder Absicht – die Empfehlung, meine andere Tür zu benutzen und auf der Straße (direkt vorm schicken Mietshaustor!) zu stehen, wenn ich Be- und Entladen wollte. Ich weiß doch aber genau, dass die Denunziation auf schnellstem Fuße folgte!

Warum stehen sie denn allesamt nicht selber dort, wenn das so einfach ist?

Mir stößt jedoch nicht – und das will ich hier betonen – das einmalige Türstehen sauer auf, sondern sein Dauerzustand! Und vor allem auch die Macht der Gewohnheit und dieser hässliche, fordernde und mich abwerten wollende, Umgangston. Das ist schlicht und ergreifend Mobbing, meine Lieben!!

„Tatsachen muss man kennen, bevor man sie verdrehen kann.“  (Mark Twain)

Sich einen Passus erlauben und dem anderen die Verantwortung dafür zuschieben, dass dem so ist, bedeutet in meinem Fall, ich „beanspruche“ etwas, was nicht mir gehört, sondern allen, sich aber direkt vor meiner Tür befindet und nicht vor der ihren, weshalb ich mich daran störe, weil mir das Be- und Entladen unmöglich gemacht wird, was jedoch mein Irrtum ist, denn dieser Platz so sagen sie – ist der ihre.

Moralisch betrachtet und rein an Mietjahren zusammengerechnet, bin ich länger da, als viele meiner Nachbarn unter der alten Linde. Nur einer wohnte bereits an diesem Ort, bevor mein Mann und ich, dazu kamen. Er wartete übrigens geduldig, als ich einmal im letzten Jahr, die empfohlene Straße zum Beladen meines Autos blockierte, weil kein Platz mehr für mich frei war, auch nicht vor der anderen Tür. Er fand es nicht lustig, zeigte jedoch Verständnis. Wir hatten uns bei unserem Einzug einander vorgestellt, wie das, innerhalb einer freundlich gesonnenen Nachbarschaft, üblich ist. Auch die junge Frau, die mit ihrer Familie direkt neben meiner Werkstatt wohnt und dort die “Frechheit” beging, eine Bank aufzustellen, zeigte bei ihrem Einzug keine Scheu sich mir vorzustellen. Das junge Paar mit Kindern hat inzwischen dieselben Probleme, wie ich.

Wer jemandem etwas andichten will, der muss sich gefallen lassen, selber angeschossen zu werden, es sei denn, er kann das, was er an Unwahrheiten verbreitet, auch belegen! Von unserem Wissenschaftlersohn lernte ich, dass es darauf ankommt, Vorgänge zu dokumentieren. Und seit ich immer wieder gewissen Anfeindungen ausgesetzt bin, weiß ich deshalb auch, mein Smartphone zu benutzen!

Mein Widersacher wirft Fragen in mir auf, aber, sind nicht des Nachts alle Wölfe grau? Seine ständigen, hilflosen Versuche, meine Aufmerksamkeit erheischen zu wollen, lassen mich jedoch zu einer harmlosen Erklärung tendieren; womöglich handelt es sich bei seiner andauernden Pöbelei, lediglich um reinste Liebesbeweise!

„Wenn dich jemand mit Steinen bewirft, musst du mit Rosen zurückwerfen. Aber vergiss die Vase nicht.“ (unbekannter Verfasser)

Sehr geehrter Herr Wolf, Sie möchten mit mir gemütlich ein Glas Wein trinken? Und Sie suchen eine Putzfrau mit akademischer Qualifizierung? Dann sagen Sie das doch! Es reicht völlig aus, wenn Sie mich höflich darum bitten! Darüber hinaus kann es nicht schaden, wenn Sie sich vorab für Ihre anmaßenden und übergriffigen, meine Person und meinen Beruf degradierenden Worte, entschuldigen.

„Wer die Dummköpfe gegen sich hat, verdient Vertrauen.“  (Jean – Paul Sartre)

Maren Simon zum 8. März 2020

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