CORONAS VIELE GESICHTER

Zuerst einmal freue ich mich, wieder online zu sein.

Es ist vielleicht einigen wenigen aufgefallen, dass es eine Zeitlang recht still um meine Person geworden war. Das lag daran, dass meine Website im letzten Jahr „gehackt“ worden ist. Wer mich suchte und meinen Namen aufrief, der fand sich automatisch in China wieder, um dort dann billigen Schmuck angeboten zu bekommen. Die Neuaufstellung meiner Seiten gestaltete sich langwierig, denn vieles musste zurückgesetzt und wieder neu und virenfrei, aufgebaut werden. Auch auf das Dashboard gelangte ich nicht mehr. Alles war lahm gelegt worden. „Total im Arsch“, wie ich erfuhr. Ich musste Geduld aufbringen, denn mein einstiger Berater und Webseitenbetreuer, hatte anderes zu tun, als meinen bösen Internetviren hinterher zu jagen. Jetzt bin ich zwar wieder da, aber das, nicht ohne Verluste. Internet- und Coronaviren haben vieles gemeinsam, sie hebeln funktionierende Systeme erfolgreich aus, schwächen ihren Wirt und sie scheiden die Geister! Weswegen ich mir nun auch einen neuen Webmaster suchen muss.

Entsprechend ärgerlich war das alles für mich.

Seit zwei Jahren leben wir nun schon mit der Pandemie, was mir jedoch viel länger erscheint, weil sich unsere Leben auf lähmende Weise versimpelt haben. Unsere Hündin hat ihren Anteil daran, dass wir dennoch immer mal wieder, unter Menschen kamen. Sie ist in zwischen so gut wie erwachsen. Manchmal erschien es uns aber so, als würde unser Pünktchen denken, wir hätten sie allein dafür angeschafft, damit sie uns beide beaufsichtigt und auch bei Laune hält. Ihr feines, schönes Gesicht und ihr amüsant-dominantes Terriergehabe und ihr Talent – das sie von Mutti hat – menschliches Lächeln nachzuahmen, brachte uns regelmäßig zum Lachen. Inzwischen ist sie ruhiger und kennt ihren Platz. Nur bei Katzen und neuerdings auch Nagetieren, die sich als Großfamilie im Garten eingefunden haben, spitzt sie die Ohren, brummt, wufft und kläfft.

Mit Hegel gesprochen, stelle ich fest, nichts bleibt wie es ist! Je nach Lage der Situation, kann das schade sein – oder die Möglichkeit einer Veränderung lässt uns hoffen. Wir warten jetzt darauf, dass es den Nagern, woher sie auch immer kamen, zu langweilig bei uns wird und sie wieder weiterziehen werden. Es gibt andere Vorkommnisse, da gestaltet es sich weitaus schwieriger, ruhig abzuwarten. Dann ist man versucht, so wie ich es vorhatte, einer unschönen Situation durch Weglaufen zu entfliehen. Ich bin aber schon des Öfteren davongelaufen, anstatt zu kämpfen, weil mir das aussichtslos erschien. Und fast wäre es diesmal wieder so gekommen. Im Nachhinein betrachtet, bin ich deshalb auch nicht sonderlich böse darüber, dass mein Versuch, auf andere Werkstatträume auszuweichen, vereitelt worden ist.

Ich bin ja in den vielen Jahren zuvor, einem Irrtum aufgesessen. Ich glaubte tatsächlich, eine Ladentür müsste automatisch auch als „Schleuse“ dafür dienen, um das zu verbauende Material, welches im Inneren der Werkstatt benötigt wird, auch wieder hinaus zu entlassen – nämlich als fertige Arbeit. Erst ein Anwalt half mir dabei, dass die Stadt mein Problem als solches erkannte und baute letztendlich die „Brücke“, über die beide Seiten aufeinander zugehen sollten. Doch ich muss gestehen, dass ich noch immer nicht so recht begriffen habe, wo genau das eigentliche Problem liegt. Ich warte nun ab, was der Sommer mir bringen wird, wenn der Parkplatz vor meiner Türe wieder an Besuchern überzuquellen droht. Denn mir scheint, weder bin ich das Problem, noch die Touristen und die Parkenden – denn in anderen Regionen gibt es ähnliche Konstellationen. Die Frage ist doch, wie man als Stadt den gewachsenen, neuen Herausforderungen im Interesse aller, begegnet.

Und auch zum Jahresende brauchte es Menschen, die mir kompetent dabei halfen, eine unerquickliche Situation zu einem guten Abschluss zu bringen; als mein großer, grauer „Esel“ nämlich, sein linkes Hinterteil einbüßte, weil er bei fortgeschrittener Dämmerung dösend, am Straßenrand unter einer Laterne stand.   

Immerhin konnte ich auf diese Weise helfen, das Auftragsbuch der Opel-Werkstatt unseres Vertrauens in Glindow, an der B1, über die Feiertage und den Jahreswechsel hinweg, ein wenig gefüllter noch zu halten, als das wohl sonst der Fall gewesen wäre. Ich darf aber nicht daran denken, wohin sich die Sache entwickelt hätte, wenn der Verursacher des Schadens am Auto, sich einfach auf und davon gemacht hätte! Der Vorgang mit allem, was damit einhergeht, ist zwar unangenehm, aber die Sache an sich ist reparabel. Noch ist mein Auto nicht zurück – ich denke aber, alles wird gut und will mich also nicht beklagen.

Wie gut, dass ich zu meiner Aufheiterung, regelmäßig Post von meinem „Sponsor“ bekam. So erhielt ich die nötige Inspiration, um mich und auch meinen Mann, immer wieder selbst zum Lachen zu bringen. Die Jahre mit Pandemie verarbeitete ich von Anfang an, das ist mir irgendwann bewusst geworden, in diesen, meinen BLÖDELPORTRAITS. Allmählich werde ich immer geschickter darin, mich zu maskieren (manches Mal bin ich kaum noch zu erkennen), weshalb ich meiner Fotoserie jetzt auch den Titel „Coronas viele Gesichter“ gab. Diese Ansammlung von Selbstbildnissen hat sich nebenbei und völlig ungeplant aus der Situation heraus entwickelt. Anfangs war nicht abzusehen wohin die Reise gehen würde; umso schöner für mich ist jetzt das Ergebnis. Und wenn die Pandemie sich in die Länge zieht, dann weiß ich, dass es weiter geht! 

Bevor die Internetseiten wieder in Betrieb gehen und ich mich auch diesem neuen Blogtext hier, wieder widmen durfte, musste ich  die entstandenen Lücken reparieren, die die Viren gefressen hatten. Ich beschäftigte mich daher mit Vergangenem, las die alten Texte durch und kramte die Bilder für diese heraus, damit sie neu eingestellt werden konnten. Ich stellte beim Lesen fest, dass sich manches inzwischen – sicherlich auch durch Coronas aktives Wirken – überholt hatte; das Restaurant SAVU in Berlin, das gibt es zum Beispiel nicht mehr. Der schöne Nachtisch, den wir dort aßen, der ist aber noch immer im Internet aktiv unterwegs … 

Ich sehe meine Blogtexte als eine Art „Archiv“ an, welches Auskunft über mich und meine Zeit gibt.

Nicht immer lag es aber an der doofen Corona, wenn etwas nicht so lief, wie gedacht. Meine „Scherbene I“ zum Beispiel, von der ich sicher glaubte, dass sie allen Wettern – anders als „Familie Grün“ in Potsdam – standhalten würde, war dem letzten Frühjahrssturm dann leider doch nicht in Gänze gewachsen. Sie gab nach als er – offensichtlich im heftigem Wirbel – mit ihr tanzte. Er nahm sie in seine starken Arme und hob das (nur aufgesetzte) Mittelteil an, wobei sie leider ihren Kopf verlor, der, unten angekommen, hart auf der Bodenplatte aufschlug und zerbrach. Ich habe das Gesicht neu zusammengesetzt. Darüber hinaus gebe ich der Plastik mehr Halt durch zusätzliche Elemente an den Seiten, die ich noch anbauen werde. Zum Schluss werden Unter- Mittel- und Oberteil miteinander vermauert, sodass sie beim nächsten Angriff, erfolgreich Widerstand leisten kann.  

Das alte Jahr forderte wirklich viel Geduld von mir, denn auch mein Ofen entwickelte Allüren, die mir und meinem Mann, der ihn für mich wartet, zu schaffen machten.

Dabei ging viel wertvolle Zeit verloren. Immer wieder leuchtete es auf dem Display der Steuerung rot auf:  „Störung“ ! Trotzdem arbeitete sich der treu ergebene Ofen, bevor er sich selbst abschaltete, so gut er konnte an seinem vorab von mir festgelegten Programm, ab. Das heißt, ich konnte mit dem Brennergebnis gut leben. Die unkorrekte Temperaturmessung im inneren des Ofens durch den Ausfall des entsprechenden Fühlers, hatte aber u. a. leider zur Folge, dass das aus drei Teilen bestehende und daher nicht als Ganzes in meinen Ofen passende und daher in unterschiedlichen Etappen gebrannte Brenngut, meiner großen Figur „Scherbene II“, sich nicht mehr passgenau zueinander verhielt. Da sind Millimeter entscheidend. Also muss ich mir nun etwas einfallen lassen, um mein Projekt dennoch zufriedenstellend abzuschließen. Ich zaudere noch und taste mich vorsichtig an diese komplizierte Arbeit heran. Dabei wollte ich eigentlich, schon längst fertig damit sein …

Aber die neue Tür (von Paulchen) meines RAKU-Ofens im Garten, die funktioniert!

Darüber hätte ich mich gern ausführlicher mitgeteilt und möchte dafür nun, den nächsten Brand „mit Tür“ in Aussicht stellen und den entsprechenden Bericht dann, in einem extra Blog, nachreichen. Meine Kommentare interessierten das Nirwana nicht und den Herrschaften in China, ging es allein um ihren Profit, was hätte ich da kommentieren sollen und für wen? So rutschte ich mehr und mehr ab in eine zunehmende Unsichtbarkeit. Wir wissen aber – ohne Ausstellungen und Rezensionen ist der Künstler ein Nichts. OHN jede MACHT zu sein bedeutet ohne Stimme zu sein und freut natürlich die Konkurrenz. Deshalb ist es von Vorteil, wenigstens virtuell sichtbar zu bleiben, wenn bei jemandem wie mir, aus „purer Sturheit“ gar nichts mehr geht.

Andere Möglichkeiten, um wahrgenommen zu werden und mich äußern zu können, hatte ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Ich fand mich auch deshalb desolat und total abgeschlagen auf dem letzten Platz wieder. An einer „Halbtoten“ nimmt niemand Anteil, da muss man schon recht kräftig ins Gras gebissen haben, erst dann kommen sie alle gelaufen! Erst dann gibt es auch für eine, wie mich, eventuell – klatschenden Beifall. (Anmerkung für den Sohn; auf der Einladung (- natürlich mit Blödelportrait) zum Begräbnis sollte stehen: Die Künstlerin ist anwesend!)  

Sicherlich wächst man an seinen Schwierigkeiten, ich hätte aber dennoch zu gern darauf verzichtet.     

Es dauerte dann eine entsprechende Zeit, ehe ich zur Ruhe kam und mich damit abfand, auf sämtlichen Kanälen abserviert worden zu sein. Aber ich hatte ja eh nicht viel mitzuteilen, also kam es mir irgendwann sogar entgegen, nichts sagen = nichts schreiben zu können. Ich entspannte mich und kümmerte mich halt um andere Sachen. Ich malte oder klebte mir, wie beschrieben, Papier ins Gesicht und ließ meinem schauspielerischen Talent, von dem ich erfreut feststellte, dass ich es habe, freien Lauf. Ich begleitete jetzt verstärkter meinem Mann und den Hund auch mitten in der Woche beim Waldspaziergang und ich kam dazu, endlich wieder mehr zu lesen.     

Auf sich selbst zurückgeworfen zu sein, ist für einen Künstler nicht der schlechteste Part.

Keine Aussagen mehr zu treffen und nichts mehr nach Draußen zu entlassen, kann auch eine Form der Ansage sein, eine trotzige zwar, das gebe ich gern zu, aber während der Funkstille sammelte ich mich. Ich dachte sogar daran, die Blogschreiberei ganz einzustellen. Wird nicht sowieso schon über viel zu viel Schwachsinn diskutiert und gelabert? Diese Gesellschaft droht an Beliebigkeiten zu verlottern. Einige von uns stehen spät auf, sitzen zu Hause in Schlabberkleidung herum – die Haare ungewaschen und lassen sich gehen. Als Freiberufler stehe ich am Ende der beruflichen Nahrungskette, liebe trotzdem diesen Beruf und will keinen anderen haben, aber reden möchte ich über sämtliche unschöne, gemachte Erfahrungen, jetzt wirklich nicht mehr. Ich setze sie in meine Werke um, das muss reichen. Corona hat so viele Gesichter! Ich möchte das Ende dieses „schlimmen“ Jahres 2021 darum nun auch zum Anlass nehmen, noch viel mehr Heiterkeit zu wagen.

Ich sehe ein und muss mir das selbst immer wieder sagen, nun einmal kein Dienstleister und von daher also auch kein systemrelevanter Mensch, zu sein.

Zum Jahresende begegnete mir in der Zeitung diese vortreffliche Aussage von Aristoteles: „Jeder kann wütend werden, das ist einfach. Aber wütend auf den Richtigen zu sein, im richtigen Maß, zur richtigen Zeit, zum richtigen Zweck und auf die richtige Art – das ist schwer.“

Daraus ist dann zum Ende des Jahres noch schnell die Plastik einer kleinen Frau entstanden, die ihren Kopf unterm Arm trägt und sich anmutig dabei gibt. Auch die nächste Arbeit ist bereits angedacht, Münchhausen lässt grüßen! Eine, die sich selbst (und auch ihr Pferd, oder vielleicht ihren Esel?) am eigenen Schopfe und ohne fremde Hilfe – aus dem Sumpfe empor zieht. Ja, das ist tatsächlich möglich! Alles ist möglich. Das habe ich alles selbst schon ausprobiert!

Albert Camus dreht den Mythos vom steinewälzenden (und deshalb beklagenswerten Sysiphos), sogar ins Positive um und provoziert, indem er behauptet: „Wir müssen uns Sysiphos als einen glücklichen Menschen vorstellen!“ Was er damit anscheinend sagen will ist, dass es ein Irrtum sei zu glauben, man hielte das Glück in seinen Händen, in dem Moment, wo der schwere Stein endlich oben zu liegen käme. Eine gewagte These, die jedoch treffend beschreibt, wie wichtig der Schaffensprozess ist, der glücklich macht. Und selbst, wenn ich die (mich behindernden) Sachverhalte souverän aussitze und durchleide, gipfelt das automatisch in einer positiven Produktivität, die ich dadurch folglich erhalte! (Dabei bleibt alle Energie erhalten, denn sie gelangt nur an anderer Stelle, dafür jedoch verstärkt, zum Einsatz).

Ansonsten nehme ich mir ein gutes Beispiel an den Spatzen im Garten.

Diese Spinner! Sie baden lustig bei (für uns Menschen) unerquicklichen 5 °C Außentemperatur, allein deshalb, weil sie es können – weil dann das Wasser in ihrer Badewanne, nämlich nicht mehr gefroren ist! Zu fünfzehnt und mehr sitzen sie darin und spritzen allesamt um sich, wie spielende Kinder. Sie leben stets im Einklang mit den gerade vorherrschenden Verhältnissen, die sich für sie immer wieder anders und mit jedem Tag neu, ergeben. So ist jeder Tag für Spatzens ein schöner Tag, egal was er ihnen bringt. Auch unsere Hündin würde, wenn sie könnte, diese Feststellung voll und ganz, unterschreiben. Ich beobachte sie zu gern, wenn sie nachzudenken scheint, über Gott und die Welt. Menschen denken stets bevorzugt nur an ihre eigene Zukunft und die ihrer Brut – anstatt ihre Zukunft im Einklang mit der Natur, zu leben. Der Vergleich mit anderen Vertretern ihrer Zunft und deren Werten, ist ihnen meist viel wichtiger.

Ich ziehe mich seit letztem Sommer wieder vermehrt ins Dachgeschoss zurück, um dort im Stillen zu malen. Seit ich mich hier von allerhand Ballast befreit habe und mein Mann mir einen großen Tisch für „dort oben“ selbst gebaut hat, arbeite ich hier wieder gern. Die zuletzt entstandenen Bilder eröffneten mir nun einen Weg, hinein in die Dreidimensionalität der Bildhauerin, zu dem ich vorab ohne sie, wohl nicht gefunden hätte. Solche Momente sind kostbar und sie geben mir Kraft. In der Werkstatt in Werder bin ich dieser Tage dabei, die gemalte Version meines fallenden IKARUS in einen „Totalschaden -Torso“ zu transformieren … und höre die Kritiker sogleich wieder hüsteln … aber mir ist wichtig, es wenigstens ausgesprochen zu haben, was mir da auf der Seele brennt – wenn ich auch sonst, leider nicht viel tun kann.

Das ist der Grund, warum ich jeden Tag aufstehe und meine Arbeit unaufgefordert in Angriff nehme, koste es was es wolle, allein darum, mache ich das.

Maren Simon am 13. Januar 2022     

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