Baumblüte in Werder

Das heißt für mich, Urlaub zu nehmen, um mich unter blühenden Bäumen aufzuhalten, vorzugsweise mit einem Glas Obstwein in der Hand. Wer möchte, genießt zum süßen Wein eine heiße Bratwurst vom Grill und dazu, ein Stück selbstgebackenen Kuchens vom Blech. Eine zugegeben, sehr merkwürdige Kombination und für meine Begriffe nicht zusammengehörig, aber dafür, eine äußerst beliebte Tradition in Werder.

Meine Werkstatt muss in dieser Zeit leider geschlossen bleiben. Das ist mir alles viel zu laut mit den vielen vergnügungssüchtigen Menschen auf engstem Raum. Zudem wird es in meinen Räumen dunkel, weil das Riesenrad tatsächlich riesig ist und so dichte dran, einen riesen Schatten wirft. Ein Absperrgitter soll mich vor Zudringlichkeiten zum Beispiel, blasenschwacher Mitmenschen, schützen … und sperrt mich ungemütlich ein.

Ein „offenes“ Atelier ist somit unmöglich. Nicht einmal die Post kann meinen Briefkasten dann noch finden. Aber wer will, der zwängt seinen Körper trotzdem durchs Gitter, um sich hinter der dicken Linde zu erleichtern. Die Situation ist einfach – im wahrsten Sinne des Wortes – nicht sauber durchdacht, was aber scheinbar allen, außer mir, egal ist.

Ich genieße die Blüte und den Gesang der Vögel also daheim, im eigenen Garten, wobei mir aufgefallen ist, dass die Nachtigallen weniger geworden sind. In unserem Garten hatten wir zwei Jahre lang auch solch wunderbaren Gast, der einer anderen männlichen Nachtigall der Nachbarschaft, regelmäßig antwortete. Aber aus welchen Gründen auch immer, war plötzlich Schluss. Schade. Es ist doch die höchste Auszeichnung, die man bekommen kann, eine Nachtigall im Garten „sein eigen“ nennen zu dürfen! Aber sie singen nun einmal sehr kraftvoll und ausdauernd und wer keine Fähigkeit dafür besitzt, diese Stärke auch als solche anzuerkennen, fühlt sich einfach nur genervt. Vielleicht wurde sie vergrämt oder die Katzen sind schuld. Wenn Pflanzen oder Tiere „erfolgreich“ sind, ist das für Menschen die reinste Kampfansage. Aber unser komplexes Ökosystem funktioniert auf eine so wunderbare Weise, wenn es an einer Stelle klemmt, leiden alle darunter. Nur merken die arroganten Menschen dies immer erst, wenn es bereits zu spät ist und wenn dieser wunderbare Gesang der Nachtigallen beispielsweise, nur noch gegen Bezahlung bei „Amazon“ zu haben wäre.

Von daher freue ich mich, dass unser Sohn auf Pfaden wandelt und einen beruflichen Werdegang wählte, der ihn befähigt diese, unsere noch halbwegs intakte Welt, in ihrer Einzigartigkeit zu erforschen und wenn möglich, seinen Beitrag zur Erhaltung unseres Planeten, zu leisten. Er befindet sich gerade zu dieser Zeit (bereits zum 2. Male) im brasilianischen Regenwald des Amazonas und lässt seine Eltern, per Smartphone, an seinen Erlebnissen teilhaben. So geschehen auch im Herbst des letzten Jahres, als wir den Gesang eines Vogels zu hören bekamen, der in den herrlichsten Klangfarben sein Revier kenntlich machte. Je näher die Wissenschaftler an ihn und sein Nest herankamen, umso lauter und schöner sang er, einfach unglaublich!

Solch ein Privatkonzert gab unsere Nachtigall damals mitten in der Nacht für mich auch. Sie hatte mich mit ihrem Gesang geweckt, woraufhin ich nach draußen ging, um sie zu suchen. Schließlich stand ich in der Mitte des Gartens in meinem Schlafanzug unter dem Blauregen und hörte ihr zu. Dort hielt sie sich nämlich verborgen und sang von oben auf mich herunter und ich nahm jeden schwingenden Ton in aller Schönheit wahr. Man „sieht nicht nur mit dem Herzen gut“, man „sieht“ auch mit den Ohren, wenn man offene Ohren hat und die Gelegenheit nutzt.

Ist das Blütenfest vorbei und alle unsere Gäste sind wieder abgereist, steht bei mir der nächste Rakubrand an. Für das erneute Brennen der Objekte, welche den langen Winter über entstanden sind, werde ich womöglich zwei volle Tage benötigen. Wenn ich in meiner derb-dicken, hitzeabhaltenden Kluft zugange bin, fühle ich mich als Eins mit den Elementen! Es gibt kaum etwas Schöneres, als diese ganz eigenwillige Sorte von Stress, die das Rakubrandverfahren zwangsläufig mit sich bringt. Das sich hierbei entwickelnde gute Gefühl, wieder Einzigartiges geschaffen und mit ein wenig Glück wohlbehalten in die Welt gesetzt zu haben, ist wunderbar. Insofern empfinde ich schon jetzt die reinste Vorfreude …

Wegen dieser, meiner „großartigen Kunstwerke“, werde ich von guten Bekannten und unseren Freunden allerdings in letzter Zeit oft gefragt, wieso man sie in der Öffentlichkeit nie zu sehen bekommt. Sie finden, dass ich es nicht richtig anstellen würde, mich ordentlich zu vermarkten. Sie glauben, es läge an einem mangelnden Selbstbewusstsein meinerseits und sie sagen mir dann zum Beispiel: „steh zu dir und deiner Arbeit“, „deine Sachen sind so stark, sei du das endlich auch“ und ich denke dann, dass es sich hier doch nur um einziges Missverständnis handeln kann und da muss ich mich nun doch einmal genauer erklären.

Klar, wäre ich gern präsenter, aber das liegt nicht allein, in meiner Hand! Dazu gehören mindestens zwei. Ich sei zu leise, sagen sie dann und lassen nicht locker, was echt nervend ist. Zu leise? Nein. Ich bin schon in der Lage meinen Platz Im „Kulturgarten“ zwitschernd zu behaupten – wenn man mir die Chance dazu gibt. Vielleicht sollten hier, die Kuratoren und die Galeristen Antwort geben! In all den Jahren als Künstlerin, habe ich jedenfalls genug Klinken putzen dürfen und musste leider die prägende Erfahrung machen, je intensiver man dies tut, umso verschlossener bleiben einem diese Türen dann. Und ich kann von daher für mich nur behaupten, dass es eine Kunst gewesen ist, die ganzen Jahre über, bei diesen ungemütlichen Bedingungen mit solch eisigen Temperaturen und heftigsten Winden, überhaupt noch am Leben (und bei der Arbeit) geblieben zu sein!!!

Ich sitze das jetzt aus und gehe einfach nicht mehr putzen. Schlechter kann’s ja nicht werden .-)

Meine Freundin aus Kindertagen formulierte neulich so locker ihre kritischen Zeilen an mich, dass ich diese dem geneigten Leser nicht vorenthalten will. Auch sie ermahnt mich immer wieder, endlich resoluter aufzutreten, damit sich bei mir etwas ändert. Tja, du und deine Freundlichkeit :)) – da du Mimik und Stimmlage nicht ganz so „offenherzig“ handhabst muss man dich schon gut kennen um zu merken, wann du ein Gegenüber nicht mehr so recht ernst nimmst oder anfängst desinteressiert/ärgerlich zu werden. Ich kann mir gut vorstellen, dass manch einer das als „leicht bedimpelbar“ oder „nachgiebig“ einschätzt …. Aber was soll’s! Du bist erstens im Laufe der Jahre schon wesentlich entschiedener geworden und zweitens muss, wer auch immer, damit umgehen können, dass ihm der vermeintlich fette Fang vom Haken hüpft! P wie Pech …

Trotz des versteckten Kompliments „besser“ geworden und vor allem, ein „fetter Fang“ zu sein, setzte sich in mir eine Art „heiße Welle“ in Gang, weil ich, wie schon erwähnt, vermehrt solche Ansagen zu verkraften hatte und die eigenwillige Wortkombination „leicht bedimpelbar“ erst einmal verdauen musste. Die Kernaussage ist bei allen Kritikern, egal welche Worte sie für mich finden, immer dieselbe, dennoch, ich lebe mit meiner, dieser offen ersichtlichen „Behinderung“ nun schon so lange und ich setze dagegen, liebe Leute, wäre ich tatsächlich so unterbelichtet und naiv, dann stünde ich doch wohl nicht dort, wo ich heute steh! Meine Arbeit mache ich doch offenbar ganz ordentlich und es scheint einen Zusammenhang zu geben, zwischen ihr und meiner Art zu Sein! Also, alles gut. Oder? Um die Umstände, was gedacht wird (oder vermutet werden könnte) und woher die Anmaßungen kommen, weiß ich doch selbst bestens Bescheid – kleiner Hobbypsychologe, der ich nebenher immer auch bin. Keine Frage.

Mir ist völlig klar, dass man sich innerhalb des gemeinsamen Freundeskreises vielleicht Sorgen macht, die Provokation ist dann also das Mittel zum guten Zweck, sozusagen! Aber ich werde mich trotzdem nie extrovertierter geben können, als ich bin. Manch einer ahnt wohl inzwischen, dass es neben der eher „runden“, ruhigen und lustigen auch eine „kantigere“, spröde und abweisende Maren geben könnte. Und genau so ist es! Ich mache es anderen, mir fremden Menschen, die vor allem beruflich mit mir zu tun bekommen, mitunter sehr, sehr schwer, mich in ihr Herz zu schließen. Und dann ist es natürlich kein Wunder, dass ich meine Karriere „solo“ ausüben muss. Ich wehre mich mit all meiner Kraft dagegen, nur benutzt oder vereinnahmt zu werden. Mich abhängig zu machen, eines vermeintlichen Vorteils wegen, oder in irgendwelche dubiosen Prozesse eingebunden zu werden, die mich dann Zeit und Energie kosten, mir meine Kraft rauben und anderen Nutzen versprechen, mir selbst am Ende aber rein gar nichts bringen, vermeide ich tunlichst. Eventuelle geschäftliche Partner können von daher nur solche Menschen werden, die meinen eigenen Schaffensprozess respektieren und nicht in Konkurrenz dazu, auftreten. Ich bin da aus Erfahrung sehr vorsichtig geworden.

Meine liebe Freundin rät mir im Folgenden: „Ich meine ja nicht, dass du dein freundliches Wesen verbergen oder „abschaffen“ sollst! Leider ist es aber in der heutigen Zeit so, dass Freundlichkeit im Geschäftlichen nur zu gerne als „nachgiebig“ missinterpretiert wird. Merkt dann dein Gegenüber, dass dem nicht so ist, fühlt er sich enttäuscht und wird ruppig. Ist nicht dein Fehler, da hast du völlig Recht.“ Was bedeutet, nur, wer stetig unterschätzt worden ist, kann letztendlich überraschen!  Wenn es der Überraschte denn sportlich nehmen würde, wäre ja auch alles gut. Was ist denn so falsch daran, zuzugeben, sich eventuell geirrt zu haben? Beleidigt zu tun und darauf zu spekulieren, dass der fehl Beurteilte doch noch angekrochen kommen könnte, weil er/sie „nett“ behandelt oder wie K. es nennt, „bedimpelt“ werden will, wäre doch aber eine ziemliche Zumutung. Oder liege ich da so sehr falsch?

Machtspielchen, wo auch immer sie auftreten, kann/will ich nichts abgewinnen. Wenn ich an der langen Leine gehalten werde und wiederholt übers Stöckchen springen soll, dann nehme ich mich ohne viele überflüssige Gesten aus dieser, für mich entwürdigenden Situation, heraus. Oft tut es unglaublich weh, so konsequent sein zu müssen und oft sind es weniger die Schwachen, als die Starken, die die schlechtesten Manieren aufzuweisen haben. Des Menschen Würde, sie ist unantastbar – aber manchmal empfinde ich mich einfach (auch innerhalb der Familie) nur als ein Ritterlein der traurigen Gestalt in beklemmend, schwerer Rüstung! Hängende Schultern spiegeln tatsächlich immer auch den inneren Zustand wider. Ich gebe zu, nach außen hin muss das den Anschein bewirken, nicht sonderlich handlungsfähig zu sein. Bis ich mich wieder aufgerappelt habe …

Denn das Leben mit der Kunst, es muss weiter gehen! Das optische Erscheinungsbild, das ich abgebe, ist mir hierbei ziemlich egal. In der Krise entstehen nun einmal die besten Sachen! Jedenfalls funktioniert es bei mir sehr häufig genauso. Nicht, wie die Künstlerin sich gibt oder wie sie aussieht, sollte bei einer Beurteilung entscheidend sein, sondern das, was diese Person tut und wodurch sie sich von anderen Menschen unterscheidet und auszeichnet, nämlich durch ihr Werk und ihre Haltung dazu. Ich denke, dass angesichts meiner expressiven Figuren einfach nur eine dahinter stehende, entschieden auftretende „Powerfrau“ erwartet wird, eine, die fordert und nicht etwa an sich zweifeln könnte, also eine, die entsprechend dominant in Erscheinung tritt. Sorry, ist das so? Dann tut es mir leid, wenn ich enttäuschen muss. Das soll ja Vincent v. Gogh auch schon so ergangen sein.

Zu einer säkularen Ethik gehören Geduld und Langmut, Demut und Großzügigkeit ganz wesentlich. Wahre Geduld erfordert eine große innere Stärke. Es gibt drei Aspekte der Geduld: Geduld gegenüber jenen, die uns Leid zufügen, das Annehmen des Leids und das Annehmen der Wirklichkeit. Diese Geduld führt zu einem Prozess der Wandlung und Weiterentwicklung.“ Ethik ist wichtiger als Religion“ Der Appell des Dalei Lama an die Welt, herausgegeben, anlässlich seines des 80 zigsten Geburtstages am 6.7. 2015

Dieses „Annehmen“ meiner „Wirklichkeit“, der vermeintlichen Schwäche, führt bei mir zur künstlerisch-therapeutischen Auseinandersetzung und ist, das möchte ich betonen: ein Glücksfall. Also! Fragen aufzuwerfen und dafür kritisiert zu werden, gehört immer auch zur Kunst dazu, die viele Gesichter hat und allerlei unterschiedliche Geschmäcker bedienen muss. „Richtig“ und „Falsch“ erübrigen sich also in der Kunstszene. Allein die Tatsache, dass es immer auch jenen übelgesonnenen, das Haar in der Suppe aufspürenden Neider beiderlei Geschlechts gibt, der mit Gehässigkeit stetig austeilen oder irgendwelche Geschichten erfinden muss, um seine Wichtigkeit gegenüber der meinen, zu demonstrieren, ist das, was in gewisser Weise (u.a.) meine „Leiden“ schafft, doch damit muss ich, damit kann ich leben!

Maren Simon, am 26. April 2018

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