Corona-Virus contra Krone der Schöpfung

Tilda-Bisertha Grünemitten, Maren Simon, 2020; Höhe: ca. 60 cm

Die Einführung des BEDINGUNGSLOSEN GBRUNDEINKOMMENS für alle und jeden scheint die Konsequenz der Stunde innerhalb dieser Krise, in der wir uns gerade befinden und wohl noch für längere Zeit feststecken werden, zu sein. Mit der weltweiten Pandemie werden jetzt all die Probleme deutlich sichtbar, die zugunsten einer funktionierenden Wirtschaft, gern herunter gespielt wurden. Dabei ist es erstaunlich, wie humorvoll die Menschen auf der ganzen Welt mit der verordneten Freizeit und der damit verbundenen Quarantäne, umgehen.

Jeden Tag wird man mit neuen Informationen überschüttet, seit ich den neuen Blog begann, veränderte sich so vieles, dass mir manches momentan nicht mehr wichtig erscheint, was ehemals wichtig gewesen!

Nicht unerwähnt lassen möchte ich jedoch den Geburtstag meiner lieben Freundin Tilda, den sie am 13. März beging. Während sich die Viruskrise anzubahnen begann, arbeitete ich nämlich an Tildas Portrait Nummer II, Tilda Nummer I war da gerade fertig geworden. Meine sorgenvollen Gedanken stecken nun in dieser, der zweiten Arbeit, mit drin. Vergleicht man beide Versionen miteinander, könnten sie unterschiedlicher nicht sein! Ganz spontan entschied ich zu Beginn des Jahres, die Freundin zu porträtieren, nicht ahnend, wohin diese Reise gehen würde.

Beide sind wieder unter Verwendung von Scherben entstanden. Die erste Tilda ist die schönere, die feinere von beiden. Nummer zwei, unter dem Einfluss von Covid-19 aufgebaut, wurde eher humorvoll „anders“. Wie zur Bestätigung dafür, lachte mein lieber Mann lauthals los, als er die verstört erscheinende, zweite „Tilda“ mit ihrer „geborstenen Frucht“, auf meinem Werkstatttisch stehen sah. In vereinter Kraft bugsierten wir die sensible Arbeit kürzlich in meinen Ofen. Das Problem bei meinen Scherbenplastiken besteht darin, jenen Moment ganz genau abzupassen, da in der jeweiligen Arbeit noch etwas Feuchte steckt – nur so viel, dass diese fragilen Objekte beim Heben und Abstellen nicht bröseln.

Lachen hilft uns gerade sehr dabei, gesund zu bleiben.

Liebe Freunde und liebe Menschen an unserer Seite sind uns in dieser Zeit des Abstandes voneinander, besonders wichtig. Wir kennen und schätzen uns schon eine ganze Weile, doch leben wir leider alle etwas zu weit entfernt von einander, als das wir uns, selbst in guten Zeiten einfach so, mal schnell besuchen kommen könnten, was wir wirklich zu gern täten!

Weil das anscheinend andersherum ebenso ist und unsere lieben Freunde an uns denken, erfreut man uns mit Päckchen, darin Schutzmasken aus der Knape-Textil-WERK-statt in Jena und selbstgestrickte, warme Socken von der Freundin aus München. Die waren, man will es kaum glauben, genau richtig für unsere Wanderungen im Wald, denn es war zwar sonnig, aber die Sonne hatte es trotzdem schwer uns zu wärmen, denn die Nächte waren einige Tagelang sehr kalt gewesen. Es schneite sogar und die Blüten sämtlicher, bereits blühender Bäume, sind während dieser Nachtfröste erfroren und wurden braun. Ein doppelter Schlag ins Gesicht für die, ebenfalls von der Einschränkung betroffen Obstbauern in der Region, denn auch das Baumblütenfest wird wohl dies Jahr ausfallen müssen.

Im Garten gibt es für mich momentan kaum etwas zu tun, der macht alles ganz von allein: die aparten Christrosen blühen eifrig und die Schlehen ließen sich von der Kälte ebenfalls nicht beeindrucken und auch alle Vögel sind wieder da. Wir verlegen gerade quere “Terrassen” aus runden Ackersteinen, weil uns die Wissenschaft vermehrte, sommerliche „Starkregengüsse“ ankündigte und wir dagegen gewappnet sein wollen.

Seit wir den Hund haben, sind wir mit anderen Hundefreunden in Kontakt und wir sind auch jetzt viel im Freien unterwegs, ein Vorteil, den andere Leute gern für sich in Anspruch nehmen würden, wenn sie einen Hund hätten. Von daher gibt es inzwischen Hundebesitzer, die ihre Hunde sogar ausleihen. Dann, verkehrte Welt, sind es die Hunde, die mit Menschen Gassi gehen.

Freizeit für alle, ist DAS Motto dieser Wochen.

Beinahe jeder kann sich seine Zeit jetzt selbst einteilen! Verordnete Freizeit zu genießen ist zwar sehr schön, doch zu Hause festsitzen zu müssen, ohne Plan, ist scheiße. Dabei ist Langeweile ein allgemein unterschätztes Mittel zur zuverlässigen Steigerung der Kreativität. Für manche ist es natürlich trotzdem sehr viel bequemer, sich den Tag virtuell eintakten zu lassen, als sich selbst etwas einfallen zu lassen.

Wer vor Eintreffen der Coronaviren in unseren Breiten immer viel zu laut das Quietschen seines Hamsterrades vernehmen musste, der soll sich jetzt ausruhen und die verordnete Ruhe genießen dürfen.

Es gibt genug, denen dieses Abschalten nicht vergönnt ist, weil sie einen Job haben, der gerade jetzt, dringend gebraucht wird.

Für mich änderte sich aber kaum etwas. Ich mache trotzdem meine Arbeit, obwohl sie sich finanziell nicht rechnet und niemand sie anordnet und die daher auch niemand braucht und keiner vermisst.

So war es vor Corona und so ist es jetzt. Ich habe also nichts zu verlieren. Und deshalb kann ich es mir leisten, gemeinsam mit meinem Mann, bei bester Wetterlage und so oft wir es wollen, ausgedehnte Spaziergänge in die Lehniner Waldbäder zu unternehmen. Wir halten uns auf diese Weise in Bewegung an der frischen Luft und erfreuen uns an der Lebendigkeit unseres Hundes.

In meiner Werkstatt stellte ich einiges um. Regale flogen raus und ein großer Tisch zum Arbeiten kam hinein. Mit dem kraftvollen Industriesauger säuberte ich – mittels aufgesetzter Feinstaubdüse – auch die Blätter meiner reichlich blühenden Orchideen gründlich. Sie blühen zu meiner Freude recht emsig trotz und mit Staubschicht darauf. Diese charmanten Gewächse sind alles andere als Diven, die man in ihnen sehen wollen könnte. Meine Pflanzen beglücken mich, sie nehmen mich so, wie ich bin und sind mir zuverlässig die einzigen Ansprechpartner, neben den kleinen Feuerkäfern, die jetzt natürlich auch wieder hinein, in die Werkstatt wollen.

„Soloselbständiger“ als ich es bin, kann eigentlich kaum einer sein! Ach was, SOLITÄR-Solo-Selbständig! Denn ich gehöre ja in kein Kollektiv. Einige besser gestellte Kulturschaffende, all jene, die Auftritte gehabt hätten und deren Lesungen nicht stattfinden werden, die können sich jetzt wenigstens darauf berufen, Absagen und damit verbundene Geldeinbußen zu verzeichnen, weil diese Veranstaltungen, in die sie ansonsten eingebunden gewesen wären, nun ausfallen müssen.

Auch mich forderte man im Freundeskreis auf, meinen Stolz abzulegen und mich um Hilfsgelder zu bemühen. Doch ich habe bedenken, denn ich agiere nicht erst jetzt in „Notlage“, ich befinde mich schon solange ich freischaffend tätig bin im „Ausnahmezustand“. Wer sich auf eine künstlerisch ausgerichtete Laufbahn einlässt, der muss wissen; will er Kunst und kein Kunstgewerbe betreiben, dass er nie auf der sicheren Seite stehen wird. Es gibt natürlich Ausnahmen, aber sie sind nicht selbstverständlich.

Ich möchte jetzt nicht wieder falsch verstanden werden; es muss nicht jeder etwas von Kunst verstehen und über sein Sofa soll jeder hängen dürfen, was er für richtig und angemessen hält! Aber leben würde auch ich ganz gern von dem, was ich am besten kann – ohne meine Arbeit andauernd vor Kritikern, mit gefährlichem Halbwissen, rechtfertigen zu müssen.

Die Tropfen auf heiße Steine, die nun vermehrt ausgeschüttet werden, nützen am Ende doch wieder eher den Schlauen und Pfiffigen unter uns und auch den Schwindlern, die es verstehen, sich „helfen“ zu lassen … während die, die es eigentlich nötig hätten, leer ausgehen … weil auch betteln gelernt sein will! Es braucht nicht nur ein Talent für die Kunst, sondern auch Redegewandtheit, um die entsprechenden Worte zu finden, damit die Tränendrüse funktioniert.

In diesen Wochen entstehen deshalb, durch vielfach übereilt angestoßene Hilfsmaßnahmen, neue Ungerechtigkeiten.

Deshalb will ich die Gunst der Stunde nutzen und an dieser Stelle den leider immer wieder in Vergessenheit geratenen Gedanken, des BEDINGUNGSLOSEN GRUNDEINKOMMENS, ansprechen. Ich behaupte, sämtliche, der jetzt bereitgestellten Hilfsfonds wären unnötig, wenn bereits jeder über solch ein GRUNDEINKOMMEN verfügte.

Und ich behaupte, die tatsächlich auch „schaffende“ Künstlerschaft hätte sich von der trittbrettfahrenden, lange schon abgehoben. So aber verwurstet sich alles „Kreative“ zu einem einzigen, undefinierbaren Brei, um dann über einen Kamm geschoren zu werden. Und das hat fatale Folgen.

„Für das Können gibt es nur einen Beweis: das Tun“. Bevor aber das Können mithilfe des Tuns zum Einsatz gebracht werden kann, brauchen wir die entsprechenden Rahmenbedingungen dafür. Wirklich Berufene schauen nicht nach dem Status, der ist ihnen egal, für sie ist das Machen das Wichtigste.

Tilda-Bisertha Grünemitten II, Maren Simon, 2020; Höhe: ca. 75 cm

Die Rechnung ist einfach; entweder wir müssen unsere Haut zum Markte tragen und uns anpassen, um uns zu verkaufen, oder wir tun dies nicht und bleiben konsequent auf uns allein gestellt. Und dann hat man es schwer.

In einem Land, indem der Wert eines Menschen nur danach beurteilt wird, ob er finanziell etwas einbringt oder ob nicht, da kann es in Krisenzeiten schon einmal passieren, dass Idealisten und Sonderlinge auf der Strecke bleiben. Ja, wer stur bleibt und uneinsichtig ist, ist selbst schuld. Aus dieser Zwickmühle gelingt es dem bildenden Künstler kaum heraus zu kommen. Darstellende oder musizierende Künstlerkollegen haben es da wesentlich einfacher, denn sie arbeiten meist als Selbständige innerhalb eines Künstlerkollektivs mit anderen, Gleichgesinnten gemeinsam, an einem Projekt. Sie sind weniger allein und können sich gegenseitig stützen.

Wenn staatliche Förderungen und Verordnungen – ähnlich einer anweisenden Diktatur – zur Problemlösung ausgeschlossen bleiben, helfen auch halbherzig verfügte, temporäre Förderungen, nicht viel. Dann wird sich an diesem Zustand für solche, wie mich, wenig ändern. Darum bedeutete ein BEDINGUNGSLOSES GRUNDEINKOMMEN für all jene, die völlig auf sich allein gestellt arbeiten und sich mit ihrer Arbeit behaupten müssen, in gewisser Hinsicht auch Anerkennung bei gleichzeitiger Grundversorgung. Damit honorierte man die Bemühungen dieser Einzelgänger, die, wie andere auch, der Gesellschaft natürlich von Nutzen und keine schnorrenden „Ballastexistenzen“ sind, wie das von frustrierten Menschen gern behauptet wird!

Allerdings gibt es kaum ein wirkliches Interesse daran, Künstlern ein freies und sorgloses Arbeiten tatsächlich ermöglichen zu wollen! Deren gezielte Abhängigkeit kommt doch allzu vielen „Kunst – und Kulturvermittlern“ geradezu entgegen! Solche Lobbyisten bestimmen auf „gebende“ Weise gönnerisch den Kunstmarkt mit, um in ihrem (rein finanziell ausgerichteten) Sinne, Einfluss darauf zu nehmen.

Wahrscheinlich wäre das künstlerische Leben viel reicher und interessanter und auch weniger berechenbar, wäre dem nicht so. Gäbe es statt manipulierter Kultur, Kunsthandwerk und etablierter Kunst vom Galeristen und solcher von malenden Hausfrauen, noch nebenbei die ungezähmten, unabhängig bleiben wollenden, echten Wilden! Die Werke jener Lichtscheuen, die bisher im Dunkeln blieben, bekämen plötzlich eine Chance, gesehen zu werden!

Deshalb plädiere ich für ein BEDINGUNGSLOSES GRUNDEINKOMMEN für jeden. Es ermöglichte die ersehnte Freiheit tatsächlich das zu tun, was einem gerade wesentlich wichtig erscheint, Altenpflege zum Beispiel und auch, wofür man in beruflicher Hinsicht “brennt”.

Es ist absurd, als freischaffender Künstler eine äußerst wichtige Funktion innerhalb dieser Gesellschaft inne zu haben und darum zu wissen und sich dennoch als irgendwie “problembehaftet” zu empfinden. Diese innere Zerrissenheit kennen nicht nur die bildenden Künstler. Es betrifft alle, die Neues mithilfe ihrer Kreativität ausbrüten und hierbei anfangs, meist ohne jede Unterstützung sind.

Thailand Klippe am Meer – 01.01.2017

Wer den Absprung aus eigener Kraft schafft, der ist dann aber auch von Dankbarkeit beseelt und von Stolz erfüllt, wie es kaum einer vermag nachzuempfinden, der immer nur vom Vorgesetzten über ihm, treppaufwärts „geschoben“ oder “gehoben” worden ist. Die farbkräftig, so wunderbar in unsere Zeit passenden, weil sakral anmutenden, ästhetischen Fotoarbeiten innerhalb dieses Beitrages, stammen von der Hand (und aus dem Kopfe) eines jungen Kreativen, Jahrgang 1990 (geboren in Jena), heute wohnhaft in Leipzig. Max Knape versucht seit einiger Zeit unabhängig als PC-Spieleentwickler, DJ, Musiker und Mediendesigner, auf eigenen Beinen zu stehen. Kein Angestellter kann nachvollziehen, wieviel Kraft dabei verloren geht, wenn die Gedanken immer wieder um die Beschaffung von Geldern kreisen müssen, weil man sich als Selbständiger um diese Dinge allein zu kümmern hat! All das raubt wertvolle Energie und kostet Zeit.

“Jedem nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!” Ich muss jetzt des Öfteren an den Philosophen Karl Marx denken, der das Realsozialistische Leistungsprinzip in solch klare und zeitlose Sätze zu fassen vermochte.

Der Staat entzieht sich seiner Pflicht und damit auch seiner Verantwortung. Er überlässt die Kunstschaffenden im kapitalistischen System dem freien Markt, obwohl diese kaum in der Lage sind, gemäß von „Angebot und Nachfrage“, ihr Leben zu meistern. Viele müssen andere Jobs nebenher tätigen, um über die Runden zu kommen. Mit Rettungsaktionen wie diesen der letzten Tage, glauben unsere Politiker nun das Möglichste getan zu haben und wundern sich, wenn die Flut der Anträge kein Ende nehmen will. Der Künstler als Unternehmer … oder auch nicht, je nachdem, was man darunter verstehen will, ist „nicht Fisch“ und „nicht Fleisch“, sondern fast immer ein „Mängelexemplar“. Und so ist es auch völlig absurd, solche Menschen nach ihren Einnahmen beziehungsweise „Nicht“-Einnahmen bemessen zu wollen. Der gefällige Kollege, der macht was gewünscht wird, erfreut zwar die Ämter, doch taugt er fürs Museum der Zukunft nur bedingt oder gar nicht.

Ein Salatblatt für alle muss reichen!

Die vielen „Soloselbständigen“, die immer mehr werden, besetzen inzwischen ein viel zu „weites Feld“, als dass sich dieses in einem einzigen „Arbeitsgang“ zugunsten aller Kulturschaffender, „beackern“ ließe. Es gibt Einsiedler und es gibt Netzwerker. Gibst du mir gebe ich Dir. Eine Hand wäscht die andere. Doch was soll denn jener tun, der nichts zu vergeben hat? Wenn Wissen und Können nicht erkannt oder in Konkurrenzabsicht bewusst ignoriert werden, oder einer nicht bereit ist, sich unter Wert verkaufen zu lassen, was dann?

Der antike griechische Dichter Aesop verfasste ein Gleichnis, an dessen Ende es kein Mitleid für eine kleine, den langen Sommer über musizierende Grille – klar, eine Kunstschaffende! – gibt, die sich von einer fleißigen Ameise – Beschäftigte, Angestellte – wegen ihres angeblichen Müßigganges, kritisieren lassen muss. Und auch in der Fabel von Jean de la Fontaine, der sich ebenfalls mit derselben Thematik auseinandersetzte heißt es zum Schluss: „Wir werden auch den Winter über genug zu essen haben. Du aber hast die ganze Zeit über gezirpt und gesungen. Jetzt bleibt dir nur noch zu tanzen.“

In Coronazeiten sind nun offensichtlich auch die „Ameisen“, die ja ansonsten zu wirtschaften gelernt haben, genauso arm dran, wie die kulturschaffenden „Grillen“. Während die einen ausruhen, bieten die anderen jedoch kostenlos und aus ihren Homeoffices heraus, virtuelle Kunst und Kultur für jeden an.

„Tanzengehen“ können wir jetzt alle nicht mehr. Aber ich in meinem Falle, fühle keinen Mangel und sehe die Notwendigkeit, Ruhe zu bewahren, ein und gehe in meine Werkstatt. Kulturschaffende können nicht anders; sie sind sonderbare Wesen und bewegen sich doch – darauf verlassen sich etliche, die sie entsprechend gut zu händeln verstehen. Wie ein „Perpetuum Mobile“ tanzt der Künstler zuverlässig und bereitwillig, manchmal ohne jede von außen zugeführte, Energie! Wird man sich nach der Pandemie an all die kostenlos bereitgestellten Kulturprodukte im Netz erinnern und wird der in Vorkasse gegangene Kollege, seinen Einsatz später dann, auch angerechnet bekommen?

Morgenhimmel HST Hafen – 07.12.2015

Ich frage, was wären wir ohne Kultur? Wo stünden wir? Fehlte uns nicht doch etwas? Warum werden Künstler so unterschiedlich wahrgenommen und beurteilt? Die einen sind gefeierte Meister und die anderen bleiben ihr Leben lang Looser. Bis sie gestorben sind! Dann setzt man ihnen Denkmäler, hebt sie auf Podeste und benennt Straßen oder auch Schulen nach ihnen.

Bereits unter den Steinzeitmenschen gab es solche, die anders tickten, als der Rest der Sippe. Und ich behaupte, unsere Vorfahren vor rund 44.000 Jahren waren bereits viel fortschrittlicher, als wir es heute sind! Wahrscheinlich waren die Höhlenmaler angesehene Leute. Ihnen gewährte die Familie damals schon das, was man uns heutigen Kulturschaffenden verwehrt: nämlich das von mir ersehnte, BEDINGUNGSLOSE GRUNDEINKOMMEN. Unseren Vorfahren gelang es, im Gegensatz zu vielen Kollegen heute, sich souverän in der Mitte ihrer Gesellschaft zu behaupten. Sie wurden von den anderen anerkannt und „frei“ gehalten, damit sie ohne Not von „zu Hause aus“ künstlerisch tätig werden und zu aller Freude, Meditation und Genuss, „Kultur“ erschaffen konnten. Darin allein bestand ihre Aufgabe.

Ihre kostbaren, beeindruckenden Felsmalereien bewundern wir noch heute!

Das Wort „Gemeinschaft“ ist aber für uns moderne und empathiebefreite Menschen – ohne Höhle, dafür mit klimagekühltem Büro – zu einem Fremdwort geworden, wo es nur noch Gewinner und Verlierer zu geben scheint und jeder das Ziel verfolgt, einzigartig zu sein. Doch wo kommen wir hin, wenn man die Vorzüge des anderen zwar für sich nutzen, nicht aber anerkennen will? Und wohin entwickelt sich eine Gesellschaft, wenn in ihr zum eigenen Vorteil ständig verglichen, gelogen, hochgestapelt, übertrieben und geschummelt wird?

Momentan läuft das Fass bei zu vielen über.

Einzelne, aber auch ganze Berufsgruppen und Vereine spielen sich jetzt gern zu Betroffenen erster Klasse hoch. Haben sie denn alle keine „Vorratshaltung“ betrieben und lebten selbst all die fleißigen „Ameisen“ von einem Projekt zum nächsten und so wie die „Grillen“ von der Hand in den Mund? Nur ein Bruchteil arrangiert sich mit der Situation ohne es nötig zu haben, darauf hinzuweisen, wieviel Kraft das kostet. Die virusbedingte Ruhe hat auch ihre guten Seiten! In einer Gesellschaft, in der “Burnout” zum bisherigen, guten Ton gehörte, gibt das jedoch keiner gern zu. Nicht von der Hand zu weisen ist der Umstand, dass sich die Natur regeneriert und gerade Luft holt und ihre „Lungen“ volltankt – im Gegensatz zu uns, die wir unsere vor den aggressiven Viren schützen müssen.

Knieperteich, Maximilian Knape, 16.11.2015

Dennoch hoffe auch ich. Hoffe, dass das schöne Wort „Miteinander“ vielleicht wieder zunehmend an Bedeutung gewinnen wird. Die Medien geben sich reichlich Mühe, diesen Umstand wohlwollend in Aussicht zu stellen und zu illustrieren! Nie wurden die Freiberufler, das Krankenhauspersonal und auch die Kassiererinnen, so oft positiv erwähnt, wie jetzt gerade. Und doch kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass am Ende die Tatsachen wieder verzerrt werden und das Interesse für Benachteiligte aller Art, womöglich wieder abebben wird, wenn wir nur erst wieder im – von oben nach unten trennenden Alltagsmodus, angekommen sind.

Es sind manchmal nur Kleinigkeiten.

Sämtliche Mitleidsbotschaften dieser Tage, die sich um „Freiberufliches“ drehen, vermögen mich aufgrund meiner, als Künstlerin gemachten, wenig guten Erfahrungen, kaum zu überzeugen. Die sich haltende, unzeitgemäße Mär der „Brotlosigkeit“ „prekärer Kunst“, die gezwungenermaßen allein von „Luft und Liebe“ leben muss, will niemand, auch die Künstler selber, nicht mehr hören!

Aber womöglich ist das genauso gewollt. Wenn einer seinen Halt verliert, stirbt die Konkurrenz! Menschen mit Freiheitsdrang erhalten in unserem kranken System leider keine Chance darauf, mit Aufmerksamkeit bedacht zu werden. Auch jene nicht, die ihren Beruf mit Hingabe ausüben, indem sie anderen dienen und pflegend tätig werden. Und ich habe die Befürchtung, die Spaltung wird sich nach überstandener Pandemie, eher noch auswachsen; in wenige Gewinner auf Kosten einer großen Anzahl von Verlierern. Die Schwächsten zahlen den höchsten Preis! Obdachlose freuen sich über Kleingeld, das ihnen in die Hände fällt, ob mit Viren daran oder ohne, muss ihnen egal sein.

Gesehen aus der Sicht meiner Branche würde es schon reichen, den Namen des Künstlers – druckt man sein Werk in der Tageszeitung ab, auch zu erwähnen und nicht nur den Namen des Fotografen, der es ablichtete. Die bildkünstlerischen Rechte hierbei zu umgehen ist wenig solidarisch, zeugt aber von unternehmerischer „Qualität“. Wie dazu passend erhielt ich dieser Tage die „Sonderausschüttung“ der Verwertungsgesellschaft BILD-KUNST für den Zeitraum von 2008 bis 2015, die sogenannte FKOP-Tantieme, (betrifft das Kopieren) und musste laut loslachen: der Gesamtbetrag von 3.38,- € wird demnächst auf mein Konto überwiesen …

Niemand weiß genau, wie viele erfolgreiche “Trittbrettfahrer” sich bei den “loosernden” Künstlern (deren Ideen nutzend) tatsächlich bedienen!

Meine stille Hoffnung ist trotzdem, dass in Teilen wieder eine vermehrte, echte Kommunikation nach dieser, vom Virus bedingten Isolation und Abgrenzung untereinander, möglich sein könnte. Wenn nämlich so gut wie alle die Erfahrung machen mussten, wie es sich anfühlt, in Angst um Leib und Leben auf sich allein gestellt und isoliert zu sein, zurückgeworfen auf die eigene, kleine und mickrige Existenz. Und ich hoffe auf eine neue Kultur der Wiedererreichbarkeit und aufrichtiger Verbindlichkeit untereinander. Ohne die spaltenden Ressentiments und ohne jede, unterschwellig erwartete, anbiedernde Arschkriecherei.

Vielleicht ist es möglich, dass sich die Blickrichtung endlich wandelt und mit ihr zwangsläufig auch die Tonlage. In den Randgruppen der Gesellschaft finden notgedrungen die Veränderungen statt, die in Richtung Zukunft weisen. Die “sorglosere” und besser aufgestellte, gut situierte Mitte, hatte es bisher nicht nötig, Veränderungen überhaupt in Erwägung zu ziehen, geschweige denn, zuzulassen. Das galt in gewisser Weise auch für die Kunst.

Hoffen wir darauf, dass, wenn wir endlich nach diesem erzwungenen Innehalten zur Besinnung kommen, ein wirkliches Umdenken einsetzen und dies auch anhalten wird. Wir müssen einheitlich zusammenstehen, müssen Egoismen und Eitelkeiten ablegen, wenn wir die wirklich großen Weltprobleme angehen und bestmöglich bewältigen wollen.

„Im Prinzip sind all die Maßnahmen die grad greifen, Ausdruck von Verzicht, der anscheinend möglich ist. Bei der Klimakrise wird das Gegenteil behauptet. Wenn doch nur mehr Leuten klar wär, dass Corona dagegen Pillepalle ist.“ (Zitat: Dr. Carsten Simon, junger Wissenschaftler und Sohn).   Dass wir könnten, wenn wir nur wollten, das ist die Lehre, die uns die winzigen Coronaviren gerade erteilen. Es geht um den Erhalt unserer Erde, unseres wunderschönen, einzigartig-blauen Planeten. Es geht um Flora und Fauna, für die wir Sorge tragen, es geht um die grüne Zukunft aller. Zugunsten einer besseren Spezies, genannt „Mensch“.

Das Wichtigste zum Schluss.

Meine Gedanken sind bei den Kindern von Lesbos. Ich bin in Sorge. Man erfährt immer weniger davon, wie es konkret ihnen aktuell ergeht. Unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge, die zu dicht beieinander hocken, ohne jeden Sicherheitsabstand, ohne sauberes Wasser und Führsorge. Die psychischen Folgen, die diese Kinder erleiden, sind vielleicht noch viel schlimmer, als die Auswirkungen der Coronaviren. Nach der weltweiten Globalisierung der letzten Jahrzehnte, jetzt in das absolute Gegenteil zu verfallen und internationale Hilfsmaßnahmen einzuschränken, hielte ich für unangemessen.

Sollten „Ersatzeltern“ gesucht werden, dann böten auch wir unsere Hilfe an.

Maren Simon, am 5. April 2020

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