Rakubrand

 

RAKUBRAND in Kürze zusammengefasst:

  • Zuvor geschrühte Keramik glasieren.
  • Vorgewärmtes Brenngut in den Ofen möglichst dicht einstellen.
  • Ofen zu Beginn sehr langsam, später gemäßigt auf ca. 900 – 1000 °C erhitzen.
  • Sobald ein wächserner Glanz auf den Objekten erkennbar ist, Deckel öffnen.
  • Keramiken an der Luft schwingen, leises knistern verrät, dass Krakelees sich bilden.
  • Jedes Objekt in einen Behälter mit Spänen einstellen und diesen gut verschließen.
  • Nach ca. 30 Minuten Räucherzeit das Raku-Objekt entnehmen.
  • Fertige, fettig-schwarze Keramik, in ein Bad mit Wasser setzen und kräftig schrubben.
  • Eventuelle Risse schließen, geborstene Stücke kleben und wieder zusammensetzen.

Die reinste FREUDE!

… der letzte Brand des Tages – der Simonsche RAKU-Ofen in Aktion – kurz vor seiner Öffnung bei ca. 1000 °C …

Diese mehr als 400 Jahre alte, japanische Technik (genannt RAKU – gleichbedeutend mit Vergnügen) macht natürlich auch mir – wie man unschwer erkennen kann – große Freude! Zuvorderst ist der Mitarbeit des Zufalls zu danken, der dafür verantwortlich ist. Gleich vornweg will ich feststellen, dass man als Gestalter zwar gewisse Vorgänge steuern kann, die zu einem zufriedenstellenden Endergebnis beitragen, doch das Fünkchen Eigensinn, das dennoch bleibt, sorgt dafür, dass jeder Brand immer ein wenig anders ausfällt.

Nicht jeder Mensch kann damit umgehen, die Dinge sich auf diese Art, einfach entwickeln zu lassen!

Im alten Japan werteten die Keramikmeister ihre einfach gehaltenen Teeschalen für die Tee-Zeremonie mithilfe jener Technik auf, die heute verallgemeinernd als RAKU bezeichnet wird. Diese Schalen wirken in ihrer Schlichtheit eher rustikal, meistens sind sie erdig in braun/schwarz gehalten und haben eine ungeschönte, durch die Arbeit an ihnen bedingte, unregelmäßige Form auf deren Oberfläche, sich manchmal sogar Schrunden und Blasen befinden. Hier liegt die Schönheit tatsächlich im Auge des Betrachters, der, entweder schnell drüber schaut oder aber bereit ist, sich mehr Zeit zu nehmen. Überall auf der Welt fanden sich Anhänger dieser interessanten Brenntechnik, die anfingen zu experimentierten und dabei auf der Basis des Fernöstlichen, das „Westliche Raku“ erfanden, das bunter ist und den Rauchbrand schätzt, um u. a. diese Farbeffekte zu erzeugen.

Dieses moderne, westliche Verfahren, hat jedoch leider einen Nachteil, nämlich manchmal in sogenannte „Effekthascherei“ auszuarten, wobei Harmonie und Demut – die beiden Grundthemen der alten japanischen Meister – dann natürlich ausgeblendet werden. Das passiert leider, wenn dem Gestalter die Oberfläche wichtiger als die Form geworden ist, weil die Farben so schön lüstern oder frisch leuchten und die Glasuren beim Reißen, so effektvolle Muster ausbilden. Doch darauf – zu dekorieren – kommt es eigentlich weniger an als vielmehr auf das philosophische Dahinter!

„Heimleuchter“, Maren Grünemitten Simon, 2018, Detail

Ich bevorzuge ganz bewusst das erdig einfache und ja, unspektakuläre, seidig-matte Erscheinungsbild. Nicht immer gelingt mir das. Ein perfekt erscheinendes RAKU-Objekt, glatt-glänzend und kontrastreich in s/w gehalten, ist nicht unbedingt meins, deshalb „schattiere“ und „mattiere“ ich gern und provoziere die typischen Krakelees also eher nicht. Ich freue mich, wenn sie auftauchen – bin aber nicht traurig, sollten sie ausgeblieben sein. Ich mag vielmehr die sanfte Schwärze des Rauches: Er verbindet und sorgt für ein stimmiges Erscheinungsbild selbst dann, wenn die Farben eine tragende Rolle spielen oder einzelne Scherben sich ansonsten, unschön zu wichtig nehmen würden.

Das große GANZE immer im Blick behalten …

Zum RAKU kam ich durch eine Kollegin, die einem Keramik-Verein angehörte, der sich in Glindow (GLIN = TON) angesiedelt hatte. Dort arbeiteten sowohl frei arbeitende Künstler als auch Hobbykünstler eng zusammen. Der Zugang des Vereins zum Ringofen, der in diesem Ort ansässigen Ziegelei-Manufaktur, machte es möglich. Etliche kamen, um ihre Arbeiten in diesem traditionellen, sogenannten „Hoffmannschen“ Ringofen, brennen zu lassen – was auch mich interessierte, denn anfangs besaß ich noch keinen eigenen E-Ofen. Gerlinde Bachmann lud im Verein ein oder zweimal im Jahr zu ihrem RAKU ein; ihr bin ich sehr dankbar, denn sie weckte meine Begeisterung! Sowohl diese kleine, urige Frau gefiel mir, als auch die durch sie geschaffene, gesellige Arbeitsatmosphäre im intimen Kreise ihrer RAKU-Freunde. Diese Freiheit im Denken, ich meine, den ZUFALL als willkommenen Gast in das Geschehen einzubinden, anstatt ihn kontrollieren zu wollen – was zu tun nur bedingt möglich war – das kam meiner eigenen Lebensauffassung sehr entgegen! Diese wunderbare LEICHTIGKEIT im Umgang mit den vier Elementen; ERDE, FEUER, WASSER und LUFT …

… so viele Gesichter! Verschiedene Rakuportraits aus unterschiedlichsten Jahren, Maren Grünemitten Simon …

Aber leicht wurde es nicht. Wie ich noch herausfinden sollte.

Wahrscheinlich ist mein Interesse am RAKU auch diesem faszinierenden Kontrast von scheinbarer Leichtigkeit bei gleichzeitiger „Erdenschwere“, geschuldet. Gefühlte LEICHTigkeit … bei Ausschöpfung aller TIEFEN! … diese interessante philosophische Herangehensweise und Betrachtung der Welt, wird jedenfalls durch Beteiligung der VIER Elemente – natürlich bei jedem RAKU-Freund anders – besonders geschult. Die Natur und ihre Abläufe bilden für viele von uns eine wichtige Basis. Das fängt beim Material an, welches Verwendung findet und hört bei den Jahreszeiten, die sich besonders gut eignen, die Brände durchzuführen – wie etwa der Frühling und der Herbst – nicht auf. Temperatur, Regen, Wind … aber der TON, macht die Musik! … diese Doppeldeutigkeit gefällt mir. Nicht jede Tonsorte ist gleichermaßen verwendungsfähig! Es braucht eine robuste Mischung mit (für das jeweilige Projekt geeigneter) Körnung, um die auftretenden Spannungen im Kunstobjekt auch gut abfedern zu können. Diese entstehen durch das abrupt eintretende Temperaturgefälle, das es so nur beim RAKU-Freibrand gibt, wenn der Deckel geöffnet und das gebrannte Objekt der Frischluft zugeführt wird.  

Die ersten gemachten Erfahrungen im Verein, waren sehr wertvoll für mich. Ich konnte hierbei auch vieles aus den Fehlern der anderen Vereins-Mitglieder lernen, wenn ihre Schalen, Becher oder Vasen, das Brandgeschehen nicht ohne Schaden überstanden hatten. Das war dann immer sehr dramatisch. Mit solch empfindlichen Sachen – so dachte ich – fange ich gar nicht erst an! Und stellte sodann, gleich beim ersten Mal, ein kleines TEST-Portraitköpfchen mit hinein in Gerlindes Ofen. Die Freude (und mein Dank) waren groß als dieser erste Versuch, tatsächlich glückte!

So fand ich ganz allmählich durch reichliches experimentieren zu meiner eigenen Handschrift. Bald hatte ich sogar meinen eigenen RAKU-Ofen, denn Gerlinde war so freundlich und baute meinen ersten in unserem Garten (mit mir gemeinsam) auf. Infolgedessen kam ich auf diese Weise zu meinen ersten keramisch-bildhauerischen Erfolgen und damit zu meinem Alleinstellungsmerkmal – der Erstellung von großen tönernen, frei aufgebauten Portraitfiguren, viele davon veredelt mittels der RAKU-Technik. Die Glasuren dafür mische ich mir (in der Küche) sehr oft selbst an, greife nicht unbedingt auf die fertigen zurück, wenn das Angebot auch breit aufgestellt ist. Hatte ich anfangs noch ab und an Bruchschäden zu verzeichnen, die ich mit viel Geduld reparieren musste und daraus lernte, so geht mir heute nur noch sehr selten etwas kaputt. Das hat mit einem soliden Aufbau der Plastiken zu tun. Die Wandstärken dürfen innerhalb einer Arbeit beispielsweise, nicht zu unterschiedlich dick sein.  

… mit Glasuren bepudert, begossen, bepinselt oder nur angestäubt: gute Vorbereitung ist alles …

Um Rissbildung vorzubeugen, empfiehlt sich die Verwendung gut schamottierter Tonerde. Die Spannungen, die beim Temperaturabfall – bedingt durchs Herausheben, Schwenken oder Wässern entstehen – werden mittels darin enthaltener und bereits gebrannter, gröberer oder feinerer Tonpartikel innerhalb solcher, speziell fürs RAKU geeigneter Tonmassen, gut ausgeglichen. Das bedeutet aber auch, dass meine Rohplastiken (zumindest im Gesicht) mit dem Polierachat nachbearbeitet werden müssen, um deren schleifpapierartige Oberfläche, zu glätten. Ich benutze zu diesem Zweck verschiedene Steine (auch in der Natur gefundene), um damit – je nach Bedarf – in jeden Winkel zu gelangen. Diese Arbeit benötigt Hingabe, braucht Zeit und bedarf der Muße, denn von der perfekten oder weniger perfekten Oberfläche hängt ab, wie das spätere Antlitz wirken wird. Je glatter, umso feiner das zu erwartende Ergebnis.

FEIN und GLATT oder lieber MATT und RAU …

Egal ob es sich um einen Freibrandofen handelt oder um einen elektrisch betriebenen RAKU-Ofen, das grundlegende Prinzip ist immer dasselbe. Die bereits geschrühte und anschließend glasierte Keramik wird auf ca. 1000°C innerhalb dieses Ofens erhitzt. Wenn die Objekte bereit dafür sind, mit Zangen heraus gehoben zu werden, wird der Deckel geöffnet. Den Freibrandofen selbst bei diesen hohen Temperaturen öffnen zu können, um an die Arbeiten heran zu gelangen, ist unumgänglich. Viele Rakuöfen (meistens für draußen) sind „Marke Eigenbau“, so auch meiner. Alle Raku-Keramiker sind immer auch sehr erfinderische Leute, so ist es nicht verwunderlich, dass jeder Ofen anders aufgebaut ist. Meiner besitzt z. Bsp. im Deckel ein Loch von etwa 3,5 cm Durchmesser, durch das ich vorsichtig schauen kann, um die Entwicklungen im Inneren zusätzlich beobachten zu können.

Es erwies sich in meinem Fall als wenig hilfreich allein auf die Temperaturmessanzeige zu setzen.  

Solch ein RAKU-Brand (mit neuer Tür) kann schon mal drei oder vier Stunden dauern, was nicht heißen soll, dass das bei anderen Keramikern ebenfalls so sein muss. Ich absolviere gleich mehrere Brände hintereinander und nutze die Wärme auf diese Weise gut aus. Wie lange es dauert, ehe es soweit ist, hängt unter anderem davon ab was in den Ofen eingestellt worden ist. Zartere Vasen und Teller brauchen weniger Zeit als große keramische Figuren mit dickerer Wandstärke.

Mit einem gut ausgelasteten Ofen – also bei möglichst dichter Befüllung – ist das Ergebnis oft ein besseres.

… der Zustand innerhalb des gefüllten Ofens bei Hebung des Deckels – verschiedene Brände, darunter auch die SCHERBEN-Plastik: „Scherben bringen Glück“ …

Nach dem Herausholen und beim Schwenken der Keramiken an der frischen Luft, entwickeln sich in unterschiedlicher Art und Weise die charakteristischen Sprünge und Risse auf der Glasur, die sogenannten Krakelees. Sie können grober oder feinerer Natur sein, aber auch ganz ausbleiben. Zur guten Vorbereitung gehört, mehrere Behälter mit Deckel bereitstehen zu haben. In ihnen befindet sich organisches Material, das sofort Feuer fängt, wenn die glühend-heiße Keramik schließlich hier hinein, verfrachtet wird. Sägespäne zum Beispiel. Man kann sie im Tierfachhandel kaufen oder beim Tischlermeister erwerben.

Die gesamte, glühend-heiße Plastik wird zusätzlich mit diesem organischen Material sofort und zügig (mit Schaufel oder beiden vollen Händen) auch von oben bedeckt, sodass es in der Tonne zu brennen anfängt. Mittels Deckel werden die Flammen erstickt und jede Keramik auf diese Weise einem Rauchbrandprozess unterzogen. Alle unglasierten Stellen, Sprünge und Risse auf der Keramikoberfläche, färben sich während dieser Räucherprozedur – je nachdem, welches Material zum Räuchern Verwendung fand, – mehr oder weniger schwarz ein.

Ich benutze hierfür alles Mögliche, neben der Sägespäne zum Beispiel auch das, was beim herbstlichen Harken im Garten zusammen kommt: dünne Zweige, trockenes Gras oder Laub; beispielsweise solches von unserem Walnussbaum. Auch dieses Material, das beim Räuchern zum Einsatz gelangt, hat entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis! Walnusslaub besitzt durch seinen Ölgehalt eine besonders stark schwärzende Wirkung, die mir gefällt – anderen aber nicht. Stroh dagegen, ist sanfter Natur – ein Strohfeuer macht halt nicht viel Rauch! Bei den Spänen muss man vorsichtig sein. Es kommt vor, dass darin vorhandene Rückstände irgendwelcher Chemikalien dafür sorgen, dass unschöne, irreparable Muster oder Flecken auf der Patina entstehen.

Dann hat man Pech gehabt!

… nach dem Räuchern erfolgt die erste grobe Säuberung der Plastiken, Mitte links: zu groß für die Wanne, extra gegrabene Grube im Rasen …

Zuletzt erfolgt die Reinigung. Alle Objekte werden entweder mit kaltem Wasser per Schlauch ordentlich abgespritzt, was manchmal ausreicht, oder sie müssen zusätzlich in der Wanne geschrubbt und gesäubert werden. Das kalte Wasser löst nicht nur die krustigen Aschereste, sondern bringt auch die Farben zum Leuchten. Eventuell geborstene Teile müssen anschließend repariert werden. Brüche und Risse sind kein Makel, sondern gehören zur Technik dazu. Meine – mit dieser rüden RAKU-Prozedur gequälten, tönernen Portraits – erhalten mittels eventuell auftretender Brüche, Sprünge oder Risse in ihrer „Haut“ – aber erst ihre sehr eigene Biographie! Und es gibt sogar Keramiker, die diese Risse extra provozieren! Manche fräsen direkt Spuren in ihre RAKU-Stücke hinein, die sie dann mit Blattgold füllen. So heben sich die einstigen „Verletzungen“ deutlich hervor, die dann auf diese Weise – Golden leuchtend und sichtbarer noch und damit positiv besetzt – aufgewertet werden.

Auch ich setze mitunter Akzente mit Blattgold. Noch lieber nutze ich jedoch flüssiges, sogenanntes „Poliergold“, das mit dem Pinsel aufgetragen wird. Es ist ausgesprochen teuer (und die Dämpfe sind giftig) daher wird es von mir nur sparsam eingesetzt.

Es dauerte, ehe ich Anerkennung finden sollte, trotz meiner großen figurativen, urigen Werke!

Ich habe das lange Zeit nicht verstanden! … wieso das so ist. Immer wieder stellte ich enttäuscht fest, dass andere (Künstler und Kollegen) mit weniger Einsatz viel mehr erreichen, ich aber mit dem, was ich mache, (scheinbar) einfach nicht respektiert werde. Natürlich müssen solch eigensinnige Werke, die unter derart viel Energieaufwand entstanden sind, auch ihren Preis haben dürfen! … und deshalb werde ich auch nicht müde zu betonen: Wäre ich ein Mann, dann sähe das mit der Anerkennung gleich ganz anders aus! Es tröstet allein die Tatsache, dass es manch anderem auch so geht. Die Zeit, in welche ich hineingeboren wurde, spielt dabei natürlich eine gewisse Rolle, denn ich hatte das Pech in Folge des Falls der Mauer, gleich zwischen zwei Gesellschaftsordnungen geraten zu sein; weder hatte ich die Zeit als frische Kunsthochschulabsolventin in der damaligen DDR, ein Jemand zu werden, noch sollte ich mich innerhalb der neuen Grenzen der gewachsenen BRD, als junge Künstlerin angenommen fühlen. Jetzt bin ich reifer und älter geworden – aber geändert hat sich nichts … oder vielleicht doch?

Die Besonderheiten der GRÜNEMITTEN-PORTRAIT-PLASTIK …

… zwischen den Bränden: warten, wässern, putzen – unten links: mein Mann und ich, müde aber glücklich! Frühling 2023 …

Möchte ich manche meiner Portraitkeramiken, die locker Gewichte von 30 … 40 Kilogramm erreichen können, zusätzlich im Rakubrand veredeln, dann bedeutet dies, dass ich solche schweren, sperrigen und dabei immer natürlich auch empfindlichen Werke, händeln können muss. Wer kennt nicht diese leidige Erfahrung! … wie leicht bricht an keramischen Objekten eine Ecke weg! Da reicht ein leichter Ditsch durch unvorsichtige Behandlung völlig aus. Das Schwierige ist nun aber, schnell und zügig, dabei aber trotzdem vorsichtig zu sein! Gute Vorbereitung ist deshalb ganz wichtig, denn die enorme Hitze macht Stress. Ohne entsprechende Ausrüstung in Form von festem Schuhwerk und ohne ausreichende Schutzkleidung (von oben bis unten) geht deshalb bei diesen Schwergewichten, die wir zu stemmen haben,  gar nichts.

BEHERZTES Zugreifen … 

„Scherben bringen Glück“, 2017, Maren Grünemitten Simon, Terrakotta farbig gefasst, unter Verwendung von unterschiedlichstem Bruch (Scherben) und Floristen-Filzstrippe. Maße: 70 x 50 x 40 cm (40 kg.)

Während mein Mann – dick eingepackt und somit aussehend wie das Michelinmännchen – die Schwergewichte hebt, führe ich ihn. Ich sorge dafür, dass er sich völlig auf die Plastik konzentrieren und auf dem Weg hin zur Tonne, nicht sonderlich auf etwaige Unebenheiten oder Hindernisse achten muss. Also packe ich direkt mit beiden Händen zu und lenke ihn auf diese Weise in die entsprechende Richtung. Denn es muss alles recht schnell gehen: Rotglühend hängen sie manchmal etwas unglücklich an seiner Zange, wobei sich die enorme Hitze ihren Weg unter seine Ärmelschoner hindurch bahnt – und natürlich auch durch meine doppellagigen Handschuhe. Aber es geht nicht anders. Meine keramischen Figuren verfügen weder über Henkel noch Ösen und sind zudem oft runder in ihrer Form. Die passende Stelle, wo die Zange gut greifen und ansetzen kann, die muss immer erst gefunden werden. 

Die glühenden Objekte direkt mit den behandschuhten Händen zu dirigieren, ist da manchmal die einfachere Lösung. Dennoch sind entsprechende Zangen (ebenfalls extra angefertigt) zur Bergung meiner schwergewichtigen Tanten unentbehrlich. Nebenstehende Plastik „Scherben bringen Glück“, ist solch ein Extremfall. Sie ist die – vom Umfang her betrachtet – breiteste RAKU-Arbeit, die deshalb auch in einem Erdloch räuchern musste, aufgrund ihrer Größe und Schwere. Zudem ist dieses Werk ausgesprochen sensibel, wenn man es auch nicht wahrhaben will! Zuerst einmal bestand die größte Herausforderung darin, das fragile Konstrukt in meinen E-Ofen hineingestellt zu bekommen. Das geschah im lederharten, also nicht ganz trockenen Zustand. Danach erfolgte der eigentliche Trockenbrand, ehe dieser Arbeit dann bei ca. 1060 °C, endgültig (und solide) zur gewünschten Festigkeit verholfen wurde. Nur so war sie auf den danach folgenden Transport nach Hause bestens vorbereitet, um hier dem eigentlichen, dem wichtigen RAKU-Brand im eigenen Garten, zugeführt zu werden.

Drei Brände, ehe das Werk endlich als solches stand! Daran schloss sich die Reparatur einiger Brüche und Risse an, die es leider gegeben hatte. Es erfolgte eine Oberflächen-Versieglung mit Bienenwachs, die letztendlich dafür sorgte, dass das Erscheinungsbild nun ein mattglänzendes ist. An dieser Stelle angekommen, möchte ich noch einen Gedanken loswerden, der mir wichtig erscheint, aber immer zu kurz kommt: Bei der Beurteilung von Kunstwerken wäre es wünschenswert, sich im Zusammenhang mit den Preisen mehr Gedanken darüber zu machen, wie sie (die Kunstwerke und damit die Preise) überhaupt entstehen! Denn diese, auch in meinem Text erwähnten Besonderheiten der logistischen Art, sind einfach nicht zu unterschätzen. Wäre es einfach – siehe Text oben zur „Leichtigkeit“ – na, dann könnte es doch jeder. Und genau das ist der Punkt. Mehr zum Aufbau von Kunst aus Scherben unter der Rubrik: SCHERBENPLASTIK.

KUNST aus lauter BRUCHSTÜCKEN und Scherben – als fürs RAKU geeignete Objekte, eher ungewöhnlich! …

Wenn dann die fertig gebrannten Objekte aus dem geöffneten, glühend heißen Ofen heraus gehoben werden, schlägt einem die Hitze direkt ins Gesicht. Bei Temperaturen von bis zu 1000°C, ist das die reinste Schwerstarbeit! Um eine interessante Oberfläche mittels Krakelees zu erzeugen, müssen jedoch auch solch raumgreifende Objekte oder Portraitfiguren wie ich sie anfertige, an der Luft hin und her geschwenkt werden, wobei ein leises feines Knistern und manchmal lauteres Knacken zu hören ist. Erst dann kommt die Arbeit in seinen bereitgestellten Zink-Behälter (alte Wasch- und Badewannen oder ehemalige Windelwäschetöpfe) mit Laub oder, wenn es sich um ein sehr großes Stück (wie oben beschrieben) handelt, in eine gegrabene Grube im Rasen. Mit einem metallenen Deckel (Extraanfertigung) wird alles gut abgedeckt und mit alten, nassen Bettlacken, auch bestens abgedichtet. Der beißende Rauch ist ätzend und bedeutet für die Nachbarschaft keinen Grund zur Freude! Deshalb liegt der Gartenschlauch immer griffbereit, um die eventuell trotzdem hervorlugenden Flammen, abzuwehren und den üblen Qualm in den Behältern zu halten.

Während die ersten Arbeiten in ihren Tonnen räuchern, wird der Ofen erneut befüllt.

Die Restwärme des Freibrandofens vom vorhergehenden Brand, dient dann dazu die neu eingestellte Keramik des folgenden, darauf einzustimmen. Um Sprüngen zusätzlich vorzubeugen, hat sich zudem der Einsatz eines überdimensional großen Grills bewährt, auf ihm stehen sie, erhitzen sich und warten – bis sie dran sind und in meinen Ofen bugsiert werden können! Nach einer halben Stunde werden die völlig schwarzgefärbten Terrakotten aus den jeweiligen Räuchertonnen zum Reinigen herausgehoben und das verbrauchte Räuchermaterial wird durch frisches ausgetauscht. Auf diese Weise sind mehrere Durchgänge an einem Tag machbar, was bei der Einsparung von Energie hilft. Sämtliche Rohplastiken, die ich das Jahr über aufbaue, werden gehortet, damit ich sie zur Verfügung habe, um sie dann an einem Brenn-Tage wie hier beschrieben, abzuarbeiten.

 

MEIN DANK zum Schluss gilt Paule …

Schauen, ob die Metall-Kassette auch passt … die beiden Konstrukteure im April 2022

Dank seiner freundlichen Unterstützung erhielt mein Ofen 2021/22 eine extra angefertigte „Tür“ an der Seite. Dieses abnehmbare Gestell, indem sich eine feuerfeste Hitzeschutzmatte befindet, macht es uns beiden jetzt möglich alle schweren Hebevorgänge – hinein und vor allem (bei Hitze) heraus aus dem Ofen – viel leichter zu gestalten. Paule hörte aufmerksam zu, um zu erfassen worum es uns geht und plante dann die Aktion. Er suchte das Material zusammen und verschweißte anschließend mit Sorgfalt diese metallenen Einzelteile. Sogar eine Ale, um die Hitzeschutzmatte zum Schluss in die Kassette fädeln zu können, stellte Paulchen selbst für diesen Zweck her.

Mit zunehmendem Alter ist es uns nämlich immer schwerer gefallen, diese heikle Arbeit rund ums RAKU und also auch an unserem Ofen, noch in vollem Umfang leisten zu können, ohne sich am nächsten Tage dann, wie gerädert zu fühlen.

Die Konstruktion besteht aus hitzebeständigem Stahl und besitzt Flügelmuttern, die der Befestigung dienen. Zum Be- und Entladen wird sie abgeschraubt (wie rechts im Bild ersichtlich) und dann beiseite gestellt. Wir hoffen, das diese Lösung ausreichend ist für die kommenden Jahre, in denen ich noch Plastiken dieser Art herstellen werde. Nur der Wärmeverlust ist aufgrund der flexiblen Bauweise, im Vergleich zu vorher, leicht erhöht. Die Matte lässt die Hitze natürlich leichter hindurch als Schamottesteine es tun. Daher dauert nun jeder Brand etwas länger – was angesichts der enormen Erleichterung – allerdings kein Thema für uns ist.

 

Maren Simon am 30. Januar 2024