Erinnerungsstätte

Maren Siomin Gedenkstätte

Dr. Arno Neumann, Rangsdorf
Kunstpädagoge, Kunstbuchautor und Journalist

Meine Einschätzung eines Entwurfes für eine Skulptur im öffentlichen Raum von Maren Simon.

Als Journalist und Rezensent von Kunstausstellungen in Berlin und im Land Brandenburg habe ich seit einigen Jahren die Arbeit von Maren Simon aufmerksam verfolgt. Begonnen als Malerin und Grafikerin überraschte und beeindruckte sie in dem zurückliegenden Jahrzehnt durch überzeugende, weil in der Form eigenwillige und im Ausdruck höchst intensive Skulpturen der menschlichen Figur. Hier ist in der künstlerischen Szene im skulpturalen Bereich über den lokalen Bezug hinaus etwas beachtenswert Eigenständiges entstanden. Das begründet mein Interesse an einem Projekt, das mir Maren Simon vorstellte. Sie hat sich, angeregt durch eine Aufforderung in der Presse und motiviert durch Schicksale in der eigenen Familie, einem Arbeitskreis zugewandt, der eine Gedenkstätte für die Opfer einer der letzten großen Schlachten des Zweiten Weltkrieges im Raum Beelitz/Ferch einrichten will. Dazu möchte sie eine Plastik erarbeiten.
Das inhaltliche Problem besteht darin, an ein historisches Ereignis zu erinnern und gleichzeitig den gegenwärtigen Menschen wie auch zukünftigen Generationen einen emotionalen Zugang zu den vergangenen Ereignissen, konkreter gesagt: zu den Schicksalen der vielen Ungenannten und Unbekannten in jenem Kriegsinferno inmitten einer in dieser Jahreszeit frühlingshaft aufblühenden Landschaft zu schaffen. Maren Simon ist es gelungen, Menschenschicksal und Landschaftsbild in einer Figur zu fassen: die Frau mit dem blühenden Zweig. Die Frau als Bewahrerin und Spenderin des Lebens ist das am meisten geschundene Opfer aller Kriege. Und sie hat überlebt, ist Hoffnung und Neuanfang geblieben.
Und so ist es bei Maren Simons Frauenfigur einer der künstlerisch überzeugendsten und originellsten Einfälle, wie sie die kompakte Körperform durch eine plastische Ausbuchtung nach vorn in Bewegung bringt, in Spannung setzt. Das muss auch bei größerer Ausführung in die Körperform eingebunden bleiben und darf keinesfalls etwa als Bein ausgearbeitet werden.
Maren Simon zeigt einen geschundenen Leib. Das muss auch bei einer vergrößerten Ausführung so bleiben. Fragmentarisch darf es geglättete Stellen geben, die Verletzlichkeit aber muss in der geschrundeten Oberfläche sichtbar sein. In dieser Form lebt die Plastik als ihr entscheidendes künstlerisches Mittel!

Von dieser künstlerisch substanziellen Entscheidung aus muss die Lösung für den Blütenzweig in den Händen der Frau gefunden werden. Die Hände könnten unterschiedlich ausgearbeitet sein, die eine Hand als die geschundene, die andere als die bei aller Brutalität der Zeit zärtlich bewahrende. In dieser Hand muss die ganze Schönheit des Lebens anklingen. Die Blume darf keine Kulturpflanze sein, die gab es damals kaum. Es könnte ein Fliederzweig sein, der im Jahr 1945 – so mein eigenes Erleben – üppig blühte.

Offen ist die Frage, welche Form der Kopf finden sollte. Auf keinen Fall darf er als Porträt ausgearbeitet sein. Die Figur selbst ist ja eine Verallgemeinerung. Der Körper als Formganzes trägt die Aussage. Zustimmung findet der Vorschlag von Maren Simon, den Sockel aus Ziegelsteinen aufzubauen., der sicherlich einen knappen erklärenden Text haben wird. Dieser Sockel kann zwischen der Figur und dem Ort der Aufstellung, mit der Erde und dem Gebauten, vermitteln. Ein solcher Sockel hilft, die Figur etwa in Augenhöhe zu halten mit denen, die davor stehen oder auch nur vorübergehen.
Denn eins sollte diese Skulptur nicht werden: ein Denkmal, zu dem man hinaufschauen muss und von dem die Aufforderung ausgeht, in heilige oder eben auch nur scheinheilige Ehrfurcht zu versinken. Mahnen kann sie, indem man vor ihr innehält. Sie sollte auch nicht lebensgroß sein, sondern leicht unter Lebensgröße angelegt werden.
Unter den in Erwägung gezogenen Aufstellungsorten erscheint mir deshalb der Platz vor der bescheidenen Dorfkirche in Elsholz der angemessene zu sein. Gerade der unerwartete Standort lässt mehr innehalten und Nachdenklichkeit aufkommen als die großen Gedenkstätten.
Ich wünsche mir sehr ein zügiges Umsetzen des gesamten Vorhabens und ein gutes Gelingen beim Realisieren dieses überzeugenden Entwurfs.

gez. Arno Neumann
01.06.10